Tagung in MünchenWar «Biene Maja»-Erfinder ein Antisemit?
Millionen Kinder kennen seine Geschichte von der tapferen «BieneMaja». Neue Forschungsergebnisse aber rücken den Autor Waldemar Bonsels in ein dunkles Licht.

«Unsere Leitfrage ist, ob wir diesen Autor wieder entdecken sollten, oder ob er und sein Werk zu Recht in Vergessenheit geraten sind», sagt der Literaturwissenschaftler Sven Hanuschek von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München.
DPADie neuen Forschungsergebnisse nähren die seit Jahrzehnten schwelenden Vorwürfe, dass Bonsels überzeugter Antisemit war.
Für Millionen Menschen sind sie ein Teil Kindheitsgeschichte: die Abenteuer der Biene Maja und ihres besten Freundes Willi. Und auch die literarische Vorlage - das gleichnamige Buch von Waldemar Bonsels - ist seit fast einem Jahrhundert ein Bestseller. Literaturwissenschaftler haben diesen wenig bekannten Autor und sein umfangreiches Werk nun genauer unter die Lupe genommen. Und eines der Ergebnisse ist wenig erfreulich: Bonsels, darauf deuten zahlreiche Dokumente hin, war wohl ein Antisemit. Die Bonsels-Stiftung forscht dazu und eine Tagung in München befasst sich seit Donnerstag mit dem Thema.
Weitere Forschungsergebnisse im April
«Unsere Leitfrage ist, ob wir diesen Autor wieder entdecken sollten, oder ob er und sein Werk zu Recht in Vergessenheit geraten sind», sagt der Literaturwissenschaftler Sven Hanuschek von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Er forscht seit rund drei Jahren zu dem 1952 gestorbenen Bonsels und dessen Werk. Nazi-Vorwürfe gegen Bonsels habe es lange schon gegeben, systematisch habe sich aber bislang niemand damit befasst, sagt er. Seine vorläufigen Ergebnisse hat Hanuschek in dem Aufsatz «In einem unbekannten Land / Vor gar nicht allzu langer Zeit» zusammengefasst, der im April erscheinen soll.
Bonsel kritisierte «Jüdische Verschwörung»
Besonders ein Buch stach ihm ins Auge: Der Roman «Dositos» aus dem Jahr 1942. Bonsels veröffentlichte ihn selbst als Privatdruck in einer Auflage von 100 Exemplaren, die er mit persönlicher Signatur an Freunde und NS-Größen verteilte.
«Der gewaltige und gewaltsame Anstoß, der auch auf diesem Gebiet durch Adolf Hitler in die Welt getragen worden ist, erschütterte nicht nur das Judentum, sondern naturgemäß zugleich alles, was in der christlichen Kirche am Judentum krankt», schrieb Bonsels im Vorwort zu diesem Roman, das er bei einer Neuauflage von 20 000 Exemplaren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges unter den Tisch fallen ließ. Dennoch löste das Buch auch ohne das Vorwort im Nachkriegsdeutschland eine kleine, kurze Antisemitismus-Debatte aus. Bonsels vermutete dahinter - so schrieb er in einem Brief - gar eine jüdische Verschwörung.
Stiftung untersucht Vorwürfe
Die Waldemar-Bonsels-Stiftung, die unter anderem die «BieneMaja»-Einnahmen verwaltet und von Bonsels Witwe ins Leben gerufen wurde, finanziert heute das Forschungsprojekt, an dessen Ende eine Ausstellung im kommenden Jahr stehen soll - pünktlich zum 60. Todestag Bonsels und zu 100 Jahren «BieneMaja». «Wir als Stiftung möchten, dass die Vorwürfe gegen Bonsels gründlich untersucht werden», sagt der heutige Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Ralf Kirberg. Stiftungsgründerin Rosemarie Bonsels habe diese Arbeit jahrelang blockiert, sagt Forscher Hanuschek.
Die neuen Forschungsergebnisse zeichnen folgendes Bild: Hatte Bonsels im Jahr 1932 noch zwei SA-Männer nach einer Lesung herausgeworfen, die ihm vorgeworfen hatten, er wolle wohl Werbung für «die Juden» machen, sei er nach 1933 vor allem als Opportunist in Erscheinung getreten, der wohl in erster Linie verhindern wollte, dass er ins Exil gehen muss, heißt es. 1935 standen Bücher von ihm auf dem Index, danach habe er beweisen wollen, «was er doch für ein guter Antisemit sei», schreibt Hanuschek. 1938 stand er nicht mehr auf dem Index, wie Hanuschek in Bonsels' 70-seitiger Bundesarchiv-Akte herausgefunden hat.
Nach Kriegsende habe der Autor immer wieder versucht, seine Ansichten zu verteidigen, schreibt Hanuschek in seinem Aufsatz und bezeichnet Bonsels als «Unbelehrbaren».
L'essentiel Online /
(dpa)