Vor 50 JahrenAls der Mensch das Weltall eroberte
Am 12. April 1961 gelang dem sowjetischen Luftwaffenoffizier Juri Gagarin der erste bemannte Weltraumflug. Das brachte die USA unter gewaltigen Zugzwang.
Heute ist allgemein bekannt, dass die Sowjetunion 1991 zusammenbrach, weil der Rüstungswettlauf mit den USA ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beträchtlich überforderte.
Doch in den 1950er-Jahren war das noch keineswegs absehbar; viele westliche Experten wähnten sie damals sogar im Vorteil. Vor allem auf dem Gebiet der Raketentechnologie schien ihr Vorsprung beinahe uneinholbar.
Von V2-Raketen zum «Sputnik»
1944 waren die Sowjets in den Besitz deutscher V2-Raketen gelangt, die sie nachbauten und anschließend weiterentwickelten. Da sowjetische Flugzeuge den amerikanischen Luftraum nicht erreichen konnten, setzten sie besonders stark auf diese Trägersysteme, denn nur so konnten sie den USA glaubhaft mit einem atomaren Gegenschlag drohen. Die entscheidende Figur dabei war der Ingenieur Sergej Koroljow, der in den späten 1930er-Jahren als Opfer von Stalins Paranoia einige Jahre in einem Zwangsarbeitslager verbracht hatte.
Am 4. Oktober 1957 gelang dem Team um Koroljow der erste spektakuläre Erfolg: Eine Atomrakete vom Typ R7 transportierte den ersten Satelliten ins All, den 84 kg schweren «Sputnik» (Begleiter). Die westliche Welt war erstaunt und erschrocken zugleich.
Versuchshund Laika fliegt vor
Koroljow witterte nun die Chance, die Raumfahrt auch zivil zu nutzen und mittelfristig Menschen in die Weiten des Alls zu schicken. Da zu dieser Zeit aber noch ungewiss war, wie sich die Schwerelosigkeit auf den menschlichen Organismus auswirken würde, experimentierte man zunächst mit Säugetieren.
Am bekanntesten wurde die Hündin Laika, die bereits am 3. November 1957 an Bord des Satelliten Sputnik 2 in den Weltraum startete; nach sieben Stunden war sie allerdings bereits tot, wahrscheinlich wegen einer defekten Wärme-Isolierung.
Gagarins 108 Minuten-Flug
Inzwischen hatte man aber auch mögliche menschliche Kandidaten für die Expedition in die Schwerelosigkeit sondiert. Von den ursprünglich mehr als 2 000 Bewerbern kamen 20 in die engere Wahl; das Rennen machte schließlich Juri Alexejewitsch Gagarin, ein ursprünglich zum Gießer ausgebildeter Major der Luftwaffe, der als linientreu galt und aufgrund seiner proletarischen Herkunft (er war der Sohn eines armen Bauern) auch den ideologischen Vorgaben entsprach.
Am 12. April 1961 kam Gagarins großer Tag: Mit der 38 Meter hohen Rakete R 7 wurde er auf eine Umlaufbahn um die Erde geschossen, die er an Bord des Raumschiffs «Wostok 1» in 108 Minuten einmal umrundete. Die Landung erfolgte im Wolgagebiet mit einem Fallschirm, da das Raumschiff dem Aufprall nicht standgehalten hätte.
Mysteriöser Tod
Gagarin war auf einen Schlag weltberühmt. Er wurde zum Helden der Sowjetunion ernannt, erhielt den Leninorden und durfte mehr als 30 Reisen ins Ausland absolvieren. Da er nun als die Verkörperung der Überlegenheit des Sozialismus galt, waren ihm weitere gefährliche Weltraummissionen untersagt. Am 27. März 1968 startete Gagarin zusammen mit seinem früheren Ausbilder Wladimir Serjogin zu einem Flug mit einer MiG-15. Die Maschine stürzte ab, beide Piloten kamen ums Leben.
Bis heute ist die genaue Ursache des Unglücks unbekannt, da der Untersuchungsbericht nie publiziert wurde. Alexei Leonow, wie Gagarin ein früherer Kosmonaut, äußerte Jahre später allerdings den Verdacht, es seien Sicherheitsstandards fahrlässig verletzt worden; es habe sich daher nicht nur um «eine unglückliche Verkettung verhängnisvoller Umstände» gehandelt, wie es damals offiziell hieß.
Rolf Maag/L'essentiel online
Die Antwort der Amerikaner
Die Politiker in Washington befanden sich schon seit dem erfolgreichen Flug des Sputnik im Alarmzustand. Während der Kampagne für die Präsidentschaftswahlen 1960 hatte der Demokrat und spätere Präsident John F. Kennedy seinem republikanischen Vorgänger Dwight D. Eisenhower vorgeworfen, er habe eine «Raketenlücke» (missile gap) zu den Sowjets entstehen lassen, was sich später allerdings als massiv übertrieben erweisen sollte.
Sechs Wochen nach Gagarins erfolgreicher Erdumrundung verkündete Kennedy, die USA wollten bis zum Ende des Jahrzehnts eine Mondlandung durchführen. Das zum Erreichen dieses Ziels ins Leben gerufene «Apollo»-Projekt kostete 1967 zunächst drei Astronauten das Leben, doch am 21. Juli 1969 betraten Neil Armstrong und Edwin Aldrin als erste Menschen den Erdtrabanten. Die Führungsmacht des Westens hatte die Dominanz im Weltall endgültig zurückgewonnen.