Assads FolterknastVerschollen seit 1986 – 57-jähriger Häftling endlich frei
Tausende Regimegegner wanderten unter dem Assad-Regime hinter Gitter. Nun wurde ein besonders krasser Fall publik: Ein Mann schmorte 39 Jahre in einer Zelle.

Ein 57-jähriger Syrer, der nach seiner Festnahme durch Schergen der Assad-Regierung als Teenager verschwunden war, kam nun nach beinahe 40 Jahren in Haft frei. Seine Verwandten waren fassungslos, als sie Ali Hassan al-Ali auf einer Fotografie vor einem Gefängnis entdeckten. Er war 1986 als 18-Jähriger von syrischen Soldaten an einem Checkpoint im Nordlibanon verhaftet worden und seitdem nie mehr gesehen worden. Nun erlebte sein jüngerer Bruder Moammar Ali die wohl größte Überraschung seines Lebens.
Moammars Telefon explodierte nahezu vor Anrufen und Textnachrichten, die sich um seinen angeblichen Bruder in Freiheit drehten: Seine Freunde sagten, der Mann ähnele Moammar. In der Tat erkannte Moammar ihn wieder: «Das ist mein Bruder Ali», sagte er. Und gleich danach: «Er ist als alter Mann aus dem Gefängnis gekommen.»
Wegen angeblicher Agitation inhaftiert
Im Gespräch mit dem Guardian sagte der Bruder des Verschwundenen: «Es gab keinen Ort in Syrien, den wir nicht besucht haben. Wir sind durch das ganze Land gereist und haben gefragt, was mit ihm passiert ist. An einem Tag gaben sie zu, dass sie ihn im Gefängnis hatten, am nächsten Tag leugneten sie es.» Die letzte Information, die er erhielt, war, dass sein Bruder wegen politischer Agitation (Hetze) in einem Gefängnis in Damaskus festgehalten wurde. Nun wird er endlich wieder mit seinem Bruder, der inzwischen 57 Jahre alt ist, vereint.
Ali konnte bisher noch keinen direkten Kontakt zu seinem Bruder herstellen. Er verbrachte die letzten 24 Stunden damit, herauszufinden, wer das Foto von Ali nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis gemacht hatte. «Wenn er nach Hause kommt, werden wir eine große Feier veranstalten. Aber solange ich ihn nicht rieche, solange ich nicht sagen kann: ‹Hier ist er, mein Bruder›, zählt nichts», sagte Moammar.
15.000 starben in Haft unter Folter
Ali war nur einer von Tausenden von Menschen, die nach oft jahrzehntelanger Haft endlich aus dem Gefängnis entlassen wurden. Die Rebellen befreiten Häftlinge aus Gefängnissen in Aleppo und Hama, nachdem sie die Kontrolle übernommen und das Regime von Präsident Baschar al-Assad gestürzt hatten.
Seit dem Beginn des Bürgerkriegs 2011 sollen laut dem syrischen Netzwerk für Menschenrechte insgesamt 157.000 Personen inhaftiert worden und/oder verschwunden sein, darunter 5274 Kinder und 10.221 Frauen. 15.000 Personen sollen in dieser Zeit unter Folter gestorben sein. Das Netzwerk dokumentierte insgesamt 72 verschiedene Foltermethoden.
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