Krise in der LandwirtschaftBluten die Luxemburger Bauern aus?
LUXEMBURG – Dürre, Preisverfall, internationale Krisen: Den Luxemburger Bauern geht es offenbar so schlecht wie schon lange nicht mehr. Ein Verband schlägt Alarm.

Schenkt man dem Fräie Lëtzebuerger Baureverband (FLB) Glauben, dann steht die luxemburgische Landwirtschaft kurz vor dem Aus: In einer Pressemitteilung beklagt der Verband eine «existentielle Einkommenskrise». Der Milchpreis hat einen «ruinösen Stand» erreicht, Verwerfungen des Wettbewerbs bewirkten ein «Ausbluten der Betriebe», die «Früchte 50-jähriger EU-Politik» drohten «zu Grunde zu gehen». Kurz: Die «Nerven liegen blank» Was ist da los?
«Es muss etwas passieren», sagt Alphonse Ferber vom FLB. Die Luxemburger Landwirte würden derzeit tatsächlich vor existentiellen Bedrohungen stehen. Nicht nur der Absturz der Milchpreise habe sie getroffen – zudem machten ihnen internationale Krisen und sogar Terrorismus das Leben schwer. Ein großer Teil der luxemburgischen Milch würde beispielsweise vom Arla-Konzern gekauft. «Und Arla ist auf der ganzen Welt präsent», sagt Ferber. «Ägypten ist beispielsweise ein großer Absatzmarkt. Wenn aufgrund von Terrorismus weniger Touristen dorthin fahren, verlieren Menschen ihre Arbeit. Das stört den Absatz schon.» Ähnlich verhalte es sich mit dem Export von Rindfleisch in den Nahen Osten oder mit dem europäischen Embargo Russlands. Und dann kam auch noch die Trockenheit…
Immenses Defizit
«Mai, Juni und Juli sind komplett in die Hose gegangen», klagt Ferber. Das Defizit sei immens. «Schauen Sie sich den Mais in der Gegend um Mersch an – der ist nur einen Meter hoch. Das sind Ausfälle von 80 Prozent.» Für einige Betriebe werde es sehr eng, sagt Ferber. Es gebe sogar welche, die Land verkaufen müssen, um Kredite zu bedienen. Ferber: «Am schlimmsten wäre es, wenn man den jungen Menschen in dieser Krise nicht hilft. Sie sind gut ausgebildet und motiviert, man darf ihnen nicht die Perspektive nehmen.» Der FLB fordert deshalb drastische Maßnahmen: Eine Milchbörse, Entschädigungszahlungen, Subventionen – und die Rückerstattung der Sozialversicherungsbeiträge.
Bei der Regierung stoßen die Bauern auf offene Türen. «Es ist ganz klar, dass etwas geschehen muss», sagt Pierre Treinen, Direktor des Service d'économie rurale im Landwirtschaftsministerium. Sein Chef, Minister Fernand Etgen (DP), habe bereits einen außerordentlichen EU-Agrarrat einberufen, bei dem er mit seinen Amtskollegen über Maßnahmen reden will. Was Extra-Geld aus dem Staatssäckel angeht, müsse man sich natürlich im Rahmen der EU bewegen, sagt Treinen. «Aber da bleiben noch einige nationale Möglichkeiten übrig», sagt Treinen. Und sogar von einer Rückzahlung der Sozialversicherungsbeiträge lässt man sich im Ministerium offenbar nicht abschrecken: «Das haben wir nach der der Krise von 2009 schon einmal gemacht», sagt Treinen. «Eine Maßnahme die relativ leicht umsetzbar ist.»
Gibt es also noch Hoffnung für die Luxemburger Bauern? Fest steh: Ihre Regierung hat anscheinend ein offenes Ohr für sie – und sämtliche Verbände um Input gebeten. Treinen: «Wir müssen erst einmal herausfinden, wo der Schuh drückt.»
(Tobias Senzig/L'essentiel)