Aus Afghanistan – Bundesamt will Asylbewerber zurückholen

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Aus AfghanistanBundesamt will Asylbewerber zurückholen

Ein junger Mann wird nach Afghanistan abgeschoben – wegen eines Behördenfehlers, wie es heißt. Jetzt soll er zurück ins Flugzeug nach Deutschland steigen.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) will einen unrechtmäßig abgeschobenen Asylbewerber aus Afghanistan nach Deutschland zurückholen. Nach Innenminister Horst Seehofer (CSU) räumte auch die Nürnberger Behörde am Mittwoch «Verfahrensfehler» im Fall eines 20-Jährigen aus Neubrandenburg ein, der Anfang Juli in seine Heimat zurückgebracht worden war. Man werde «die für eine Rückholung notwendigen Schritte zeitnah durchführen». Bei dem nach Tunesien abgeschobenen Islamisten Sami A. will die zuständige Stadt Bochum eine Rückkehr dagegen verhindern.

Die Stadt legte am Mittwoch Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Münster gegen die Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen ein, wonach die Abschiebung rückgängig gemacht werden muss. Sami A., mutmaßlich ein Ex-Leibwächter des getöteten Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden, sitzt zurzeit in Tunesien in Gewahrsam. Seine Abschiebung war laut Verwaltungsgericht Gelsenkirchen «grob rechtswidrig».

Bei dem 20-jährigen Afghanen aus Neubrandenburg handelt es sich nach Recherchen des NDR um einen jener 69 Menschen, die am 3. Juli nach Kabul geflogen worden waren. Seehofer hatte am Mittwoch bereits vor dem Bamf Versäumnisse des Flüchtlingsbundesamtes eingeräumt. Nicht einmal die Behörden in Mecklenburg-Vorpommern hätten über den Fehler Bescheid gewusst, sagte er. So habe das Bundesamt die Identität des Mannes falsch zugeordnet.

Prozesse werden erneut geprüft

Das Bamf hatte den Asylbescheid des Mannes nach Angaben eines Sprechers zunächst an eine falsche Adresse geschickt. Danach ging die Behörde trotz eines richterlichen Hinweises davon aus, dass der Asylbescheid rechtskräftig abgelehnt war – der Mann seine Klage dagegen also zu spät eingereicht hätte.

«In diesem konkreten Fall hätte die Abschiebung verhindert werden können, wenn der Prozessbereich der zuständigen Außenstelle auf den entsprechenden Hinweis des Verwaltungsgerichts (...) mit einer erneuten Überprüfung des Sachverhaltes reagiert hätte», teilte das Bamf mit. Der Fall sei daher zum Anlass genommen worden, bestehende Prozesse im Bamf «nochmals zu prüfen und anzupassen». Zur Rückholung des 20-Jährigen stehe man mit dessen Anwältin, dem Land Mecklenburg-Vorpommern und der deutschen Botschaft in Kabul in Kontakt.

Im Fall des unter umstrittenen Umständen abgeschobenen Sami A. sprang Seehofer dem NRW-Flüchtlingsministerium zur Seite. Das Land habe bei der Abschiebung nach Recht und Gesetz gehandelt, sagte er in Berlin. «Die Entscheidung ist nach unserer Auffassung rechtmäßig.»

Richter fürchten Folter für Sami A.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte die Abschiebung des Islamisten nach Tunesien dagegen als «grob rechtswidrig» bezeichnet. Deshalb sei Sami A. unverzüglich auf Kosten der zuständigen Ausländerbehörde Bochum nach Deutschland zurückzuholen. In Bochum hatte Sami A. mit seiner Familie gelebt. Eine rasche Entscheidung des OVG über die Beschwerde der Stadt ist nicht zu erwarten. Für die Begründung hat die Stadt Bochum bis zum 13. August Zeit.

Sami A. war am Freitag nach Tunesien abgeschoben worden. Am Abend zuvor hatte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen dies untersagt, die Entscheidung aber erst Freitagfrüh an die Behörden übermittelt, als das Flugzeug mit Sami A. schon in der Luft war. Die Richter fürchten Folter in Tunesien. Das Gericht war davon ausgegangen, dass eine Abschiebung nicht unmittelbar bevorstand, weil der ursprünglich für den 12. Juli geplante Flug storniert worden war.

Seehofer sagte, er könne nicht in jedem Einzelfall prüfen, ob Menschen, die die Länder abschieben wollten, abgeschoben werden dürften. Zugleich zeigte er sich offen für den Vorschlag, dass der Bund die Zuständigkeit für die Abschiebung von Gefährdern übernimmt.

«Gefährder-Abschiebung soll Bundesangelegenheit werden»

Der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka hatte in der «Welt» gefordert, Seehofer solle die Zuständigkeit für die etwa 100 ausreisepflichtigen Gefährder nach Rücksprache mit den Bundesländern an sich ziehen – «dann hätten wir klare Verhältnisse und Verantwortlichkeiten». Auch der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster findet: «Die Gefährder-Abschiebung sollte Bundesangelegenheit werden.»

Seehofer erklärte dazu: «Die Schwierigkeit liegt darin, dass natürlich solche Sachverhalte bei Gefährdern sich über Jahre hinziehen.» Er könne sich deshalb vorstellen, «dass man sagt: Der Bund bietet den Ländern an, die Abschiebung zu übernehmen von diesen Gefährdern. Den eigentlichen operativen Abschiebungsakt.» Die polizeiliche und ausländerrechtliche Betreuung solle aber weiter bei den Ländern liegen, da dem Bund die Kapazitäten fehlten.

(L'essentiel/dpa)

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