Ukraine-Krieg - Chinesischer Reporter begleitet russische Truppen in Mariupol

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Ukraine-KriegChinesischer Reporter begleitet russische Truppen in Mariupol

Die Lage in Mariupol spitzt sich zu: 400.000 Menschen warten auf Hilfe, die Russland nicht zulässt. Während ausländische Medien die eingeschlossene Stadt längst verlassen haben, berichtet ein Reporter aus China weiter.

Die Verzweiflung steht dieser Frau ins Gesicht geschrieben: Sie ist eine der rund 20.000 Menschen, die am 15. März 2022 aus der belagerten Hafenstadt Mariupol über einen humanitären Korridor in Privatfahrzeugen aus Mariupol geflohen ist. Weitere 400.000 Menschen warten immer noch auf Hilfe.
Der chinesische Reporter Lu Yuguang ist zurzeit der einzige ausländische Reporter, der russische Truppen begleiten darf. Momentan befindet er sich in Mariupol – auch als einziger ausländischer Journalist.
Lus Berichte enthüllen nützliche Informationen, zumal sie zeigen, dass auf der russischen Seite nicht alles so läuft, wie es sollte.
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Die Verzweiflung steht dieser Frau ins Gesicht geschrieben: Sie ist eine der rund 20.000 Menschen, die am 15. März 2022 aus der belagerten Hafenstadt Mariupol über einen humanitären Korridor in Privatfahrzeugen aus Mariupol geflohen ist. Weitere 400.000 Menschen warten immer noch auf Hilfe.

AFP

Sie warten zusammengepfercht in den Kellern großer Gebäude oder in improvisierten Schutzanlagen auf Hilfe – für rund 400'000 Bewohner und Bewohnerinnen in Mariupol wird die Lage von Tag zu Tag ernster. «Wir befürchten, dass den Hunderttausenden von Menschen, die durch die schweren Kämpfe in Mariupol eingeschlossen sind, das Schlimmste bevorstehen könnte, wenn die Parteien keine konkrete humanitäre Vereinbarung treffen», erklärt eine Sprecherin des Roten Kreuzes gegenüber 20 Minuten. 

Die Stadt ist seit zwei Wochen von russischen Truppen eingekesselt und steht unter ständigem Bombardement. Die Menschen brauchen dringend Wasser, Lebensmittel und medizinische Hilfe. «Sie leiden unter dem extremen oder totalen Mangel an lebensnotwendigen Gütern», so die IKRK-Sprecherin. «Tote, sowohl Zivilisten als auch Kämpfer, sind unter den Trümmern eingeschlossen oder liegen da, wo sie gefallen sind. Lebensverändernde Verletzungen und chronische, schwächende Krankheiten können nicht behandelt werden.»

Ein chinesischer Reporter mit guten Verbindungen zum Kreml

Während die Bevölkerung in Mariupol auf die Vereinbarung von humanitären Korridoren wartet, entwickelt sich der chinesische Reporter Lu Yuguang zu einer wertvollen – und unerwarteten – Auskunftsquelle für die Geheimdienste. Der Hongkonger Korrespondent von Phoenix TV ist zurzeit der einzige ausländische Reporter, der russische Truppen begleiten darf. Momentan befindet er sich in Mariupol – auch als einziger ausländischer Journalist. Seine Berichte enthüllen nützliche Informationen, zumal sie zeigen, dass auf der russischen Seite nicht alles so läuft, wie es sollte.

Mit Helm und kugelsicherer Weste folgt Lu der russischen Armee. Als ehemaliger Offizier der chinesischen Marine, der fließend Russisch spricht, hatte er bereits in der Vergangenheit Zugang zu «speziellen Anti-Terror-Operationen», die von russischen Diensten an verschiedenen Fronten durchgeführt wurden. Dafür hat Lu eine Reihe von Auszeichnungen für Kriegsjournalismus erhalten. Jetzt darf er aus den Vormarschgebieten in der Ukraine senden.

Lu Yuguang hält sich an die Vorgaben Moskaus

In seiner Berichterstattung aus Mariupol kommen interessante Details zum Vorschein, wie «Corriere della Sera» berichtet. So machen die russischen Soldaten, die in der Gegend von Mariupol vorrücken, einen erschöpften Eindruck. Viele sind unrasiert und kaum einer trägt eine komplette Kampfausrüstung.

Sogar der Kreml-loyale Lu gab in einer seiner Reportagen zu, dass die Truppen «schwere Verluste» erlitten haben. An das von Moskau vorgegebene Lexikon hält sich Lu Yuguang dennoch: Er verwendet in seinen Berichten nie die Begriffe «Invasion» oder «Krieg» – schließlich würde er als in Moskau ansässiger Korrespondent nach dem neuen russischen Gesetz 15 Jahre Gefängnis als Verbreiter von «Fake News» riskieren. 

(L'essentiel/Karin Leuthold)

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