Neustart in Italien: Corona-Epizentrum will ein Fußballmärchen

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Neustart in ItalienCorona-Epizentrum will ein Fußballmärchen

Keine europäische Stadt wurde vom Virus härter getroffen als Bergamo. Siege von Atalanta wären ein wichtiger Schritt Richtung neue Normalität. Am Sonntag gehts los.

Es waren Bilder, die auch hartgesottensten Personen den Schlaf raubten. Militärlastwagen um Militärlastwagen fuhr spätnachts durch Bergamo, beladen mit Särgen der Opfer der Corona-Pandemie. Sie brachten sie an andere Orte, auf den Friedhöfen der Stadt war längst kein Platz mehr. Die 120.000-Seelen-Stadt, gelegen 50 Kilometer östlich von Mailand, erlangte rasch unerwünschte Berühmtheit als europäisches Epizentrum von Covid-19. Mehr als 6000 Menschen verloren in der Provinz Bergamo ihr Leben in Zusammenhang mit der Pandemie, bei bislang 34.000 Opfern landesweit ein weit überdurchschnittlicher Blutzoll.

Direkte Zeugen der Tragödie wurden Remo Freuler und Berat Djimsiti, die beiden Profis von Atalanta Bergamo. «Diese Bilder werden mir immer bleiben», sagte Freuler unlängst gegenüber «Tuttosport», «ich denke an ihre Liebsten und dass sie sich nicht einmal mit einer Beerdigung von den Verstorbenen verabschieden konnten: schrecklich.»

Mit Champagner-Fußball zu Großerfolgen

Der Fußballclub war zuletzt Elixier für eine ganze Region gewesen, Hoffnungsträger für alle Kleinen im Calcio auch und der Beweis, dass mit seriöser Arbeit und haushälterischem Umgang mit den Finanzen sogar die Giganten aus Turin, Mailand und Rom geärgert werden können. Das letzte Jahr hatte den «Nerazzurri» lauter Highlights gebracht, besonders Offensivkräfte wie Luis Muriel, Josip Ilicic und Duvan Zapata schossen sich in die Notizblöcke europäischer Topvereine. Zuerst hatte Atalanta mit «Champagner-Fußball» erstmals in der Clubgeschichte die Champions League erreicht, in den ersten sechs Monaten dieser Saison hielt das Hoch an. 70 Tore erzielten die Bergamasken in der Serie A, zehn mehr als die ebenfalls offensivstarken Laziali aus Rom, zuletzt gabs am 1. März ein 7:2 in Lecce. Der Lohn für Freuler und Konsorten: Zwischenrang 4, erneuter Kurs auf die Königsklasse, mit respektablem Vorsprung auf die Ligagrößen AS Roma, Napoli und Milan, dazu die Viertelfinale-Qualifikation in der Champions League.

Das alles ist in den letzten Monaten zur Randnotiz verkommen. Umso größer ist nun die Motivation vor der Wiederaufnahme mit dem Heimspiel am Sonntag gegen Sassuolo: «Wir wollen in den nächsten Wochen für Atalanta spielen und gewinnen, aber auch für alle Einwohner von Bergamo», sagt Freuler. Bürgermeister Giorgio Gori sagt: «Erfolge von Atalanta wären nun ganz besonders Balsam für unsere Seele.» Freuler glaubt, dass in nächster Zeit einiges möglich ist, auch in der Champions League, die unmittelbar nach Ende der italienischen Meisterschaft Anfang August in die entscheidende Phase geht: «Wir sind dann schon im Rhythmus. Ich traue uns sehr viel zu.» Es wäre ein Märchen, gegen das wohl niemand etwas einzuwenden hätte.

(L'essentiel/Marco Keller)

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