Rekord-Sammelklage – Darum gehts im Prozess gegen Facebook

Publiziert

Rekord-SammelklageDarum gehts im Prozess gegen Facebook

Seit heute behandelt ein Gericht in Wien eine Sammelklage von mehr als 25.000 Nutzern gegen Facebook. Das sind die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wer ist der Kläger?
Der Österreicher Max Schrems sorgte 2011 für Schlagzeilen, als der Jura-Student Facebook aufforderte, ihm sämtliche über ihn gespeicherte Daten auszuhändigen. Daraufhin bekam er über 1200 Seiten zugeschickt. Bei rund einem Viertel der Daten handelte es sich um von ihm bereits gelöschte Angaben, worauf der heute 27-Jährige bei der irischen Datenschutzbehörde Anzeige erstattete.

Für sein Engagement wurde der Österreicher bereits mehrfach ausgezeichnet, so wurde er 2012 etwa zum «Salzburger des Jahres» gekürt, erhielt einen Award der amerikanischen Bürgerrechtsorganisation Epic und wurde von der Stiftung Warentest im Juni 2014 als «Mutmacher des Monats» bezeichnet.
In seinem Buch «Kämpf um deine Daten» schildert Schrems seine Erfahrungen und fordert die Leser auf, sich zu wehren.

Wer ist der Angeklagte?
Aus der Klage eines Einzelnen ist mittlerweile die größte Datenschutz-Sammelklage Europas geworden, an der sich bisher über 25.000 Teilnehmer aus über 100 Ländern beteiligen. Gerichtet ist die Klage gegen die Firma Facebook Ireland Ltd, die für alle Nutzer des sozialen Netzwerks außerhalb der USA und Kanada zuständig ist. Mehr als 80 Prozent aller Nutzer haben derzeit einen Vertrag mit dem Tochterunternehmen Facebooks.

Worum geht es genau?
Schrems wirft Facebook gemeinsam mit den weiteren Klägern zahlreiche Rechtsverletzungen vor, insbesondere das in seinen Augen nach EU-Recht unzulässige Sammeln persönlicher Daten. Außerdem moniert der Salzburger, dass Facebook die Nutzerdaten nicht vor dem Zugriff des US-Geheimdienstes NSA schütze. Die Kläger rund um Schrems fordern Facebook nun auf, die «Massenüberwachung zu stoppen» und eine Unternehmenspolitik zum Schutz der Privatsphäre zu verfolgen, die jeder Facebook-Nutzer verstehe.

Was erreichte Schrems bereits?
Zuerst hatte er sich an die irische Datenschutzbehörde DPC gewandt. Damit erreichte er, dass sich der Europäische Gerichtshof seit März 2015 mit der Frage befasst, inwieweit Facebook, Google und weitere Unternehmen die EU-Grundrechte-Charta zum Schutz personenbezogener Daten beachten müssen.

Was wollen die Kläger?
Pro Kläger wird ein symbolisches Schmerzensgeld in Höhe von 500 Euro (rund 522 Franken) gefordert. Der Initiant betont, er lebe keineswegs von seinen Aktivitäten gegen Facebook und es gehe ihm weniger um das Geld als ums Prinzip. Im Kern gehe es nun darum, zu klären, ob sich Online-Unternehmen an die Regeln halten müssten oder ob sie «irgendwo im Wilden Westen leben» und dort tun könnten, was sie wollten.

Wieso findet der Prozess in Wien statt?
Facebook hat zu Beginn der Verhandlungen in Wien vehement bestritten, dass das dortige Gericht für den Fall zuständig ist. «Der Kläger ist kein Konsument», sagte Rechtsanwalt Nikolaus Pitkowitz. Vielmehr führe Schrems die Klage in «eigenem beruflichen und unternehmerischen Interesse». Die Rolle als Konsument ist zentral für den Gerichtsstand. Nur ein Konsument hat das Recht auf ein Gerichtsverfahren in seiner Heimat. Sonst muss in Irland geklagt werden, am Konzernsitz von Facebook-Europe. Dort sind die Prozesskosten sehr hoch.

Wie ist der erste Prozesstag gelaufen?
Schrems zeigt sich zuversichtlich: «Die Verhandlung ist aus meiner Sicht super gelaufen. Wir konnten alle Argumente von Facebook entkräften und warten jetzt mit Spannung auf die Entscheidung der Richterin.»

Was sind die Auswirkungen für Schweizer Nutzer, falls Schrems mit seiner Klage Erfolg hat?
Der Ausgang des Verfahrens könnte direkte Auswirkungen auf den Schutz der Privatsphäre der Schweizer Nutzer haben, sagte Francis Meier, Sprecher des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten, am Mittwoch in der Neuen Luzerner Zeitung. Urteile des Europäischen Gerichtshofs gelten zwar ausschließlich für den EU-Raum. Weil die Schweizer Datenschutzbestimmungen aber denjenigen in der europäischen Union ähneln, könne man davon ausgehen, dass Facebook gerichtlich angeordnete Änderungen auch hierzulande durchsetzen werde, so der Datenschutzexperte.

Wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen?
Ein Ende des Verfahrens ist nicht in Sicht und Schrems wirft Facebook eine Verzögerungstaktik vor. Dass jegliche Argumente, auch die 30-seitige Stellungnahme von Facebook, vom Gericht geprüft und beurteilt werden müssen, wie Klagevertreter Wolfram Proksch in der Medienmitteilung erklärt, sei ein weiteres Indiz dafür, dass es Facebook darauf abgesehen habe, das Verfahren in die Länge zu ziehen und die Kläger auf Dauer (finanziell) zu zermürben. Allerdings haben sich diese bereits auf eine längere Verfahrensdauer eingestellt.

Was ist, wenn Schrems verliert?
Auch eine Niederlage im Kampf gegen Facebook fände Schrems nach eigener Aussage äußerst «interessant»: Dann stelle sich nämlich die Frage, weshalb geltende Gesetze gebrochen werden dürften.

(L'essentiel/sts/sda)

Deine Meinung zählt