Erste Kritiken – Das sind die ersten Favoriten für die Oscars 2021

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Erste KritikenDas sind die ersten Favoriten für die Oscars 2021

Mit der Rückkehr der Filmfestivals und hochkarätigen Streamingstarts bilden sich bei Kritikerinnen und Kritikern bereits erste Favoriten für die Preisverleihung 2021 heraus.

Darüber, wie die Welt nächsten Frühling aussehen wird, können wir derzeit nur spekulieren, aber das Datum steht: Am 25. April 2021 sollen in Los Angeles die Oscars verliehen werden. Die prestigeträchtige Filmpreisverleihung wurde aufgrund der Corona-Pandemie um zwei Monate nach hinten verschoben; man hoffte, so den Studios durch die von Lockdowns beeinträchtigten Kinostarts etwas mehr Spielraum zu geben.

Filme, die für Oscar-Nominierungen infrage kommen, müssen bis am 28. Februar 2021 veröffentlicht worden sein. Allzu viel ist seit der Ankündigung des neuen Oscar-Datums allerdings nicht passiert – die großen Filmstarts bleiben nach wie vor aus und Kinos kämpfen weiter um ihre Existenz. Einen Lichtblick schaffen internationale Filmfestivals wie jene in Venedig, Toronto und zuletzt in Zürich, die ihre Veranstaltungen wieder mit Live-Publikum, internationalen Gästen und vollen Programmreihen durchführen konnten.

Seither sind auch die Filmkritikerinnen und -kritiker wieder aktiv und liefern Branchenportalen erste Oscar-Voraussagen. Hier sind die heißesten Anwärter im Überblick.

«The Trial of the Chicago 7»

Darum gehts: Nach dem demokratischen Parteitag 1968 eskalieren in Chicago Demonstrationen in blutige Ausschreitungen. Acht Männer werden festgenommen, sieben letztlich wegen Anstiftung zum Volksaufstand angeklagt. Der Film blickt auf einen der berüchtigtsten Gerichtsprozesse der US-Geschichte, der seinerzeit weltweit Schlagzeilen machte.

Der Oscar-Buzz: Ursprünglich wollte Steven Spielberg (73) sich 2007 der Geschichte annehmen, doch die Umsetzung mit Regisseur und Drehbuchautor Aaron Sorkin (59), Netflix und einem hochkarätigen Ensemble-Cast ist 2020 aktueller, als es alle Beteiligten je hätten erwarten können. «The Trial of the Chicago 7» gilt seit der virtuellen Kritikerpremiere als Anwärter für die Regie-, Drehbuch- und Darstellerkategorien. Auffällig viel Lob erhielt Sacha Baron Cohen (48) in seiner Rolle als Aktivist Abbie Hoffman.

Das sagen Kritiker: «Der Film ist eine gerissene Kombi aus Aaron Sorkins Stärken, inhaltlicher Aktualität und einem durchwegs großartigen Cast – das Spiel zwischen Jeremy Strong und Sacha Baron Cohen ist besonders inspiriert.» (Kate Erbland, «Indiewire»)

«The Trial of the Chicago 7» läuft derzeit in ausgewählten Schweizer Kinos und ist ab dem 16. Oktober auf Netflix verfügbar.

«Cherry»

Darum gehts: Ein junger Armeesanitäter erleidet nach seiner Rückkehr aus dem Irakkrieg eine posttraumatische Belastungsstörung und schlittert in die Opioid- und Heroinabhängigkeit. Der Film basiert auf dem gleichnamigen semiautografischen Buch von Nico Walker von 2018.

Der Oscar-Buzz: Seit sich Apple im September die Rechte am Film gesichert hat, geht die Branche von einem Filmstart innerhalb der Oscar-Frist aus. Der Cast sorgt mit einer Reihe junger Charakterdarsteller für Gesprächsstoff, allen voran Lead Tom Holland (24), der nach den «Avengers»-Filmen für «Cherry» erneut mit dem Regie-Duo Anthony und Joe Russo zusammenarbeitete.

Das sagen die Regisseure: «Was Tom Holland physisch wie emotional leistet, ist unglaublich – das haben wir in der Art lange nicht mehr von einem Schauspieler gesehen.» (Die Russo Brothers sind natürlich voreingenommene Kritiker, aber der Film wurde noch nicht öffentlich gezeigt.)

«Cherry» hat noch kein offizielles Startdatum.

«Pieces of a Woman»

Darum gehts: Als das junge Paar Martha und Sean Carson sein Kind bei der Heimgeburt verliert, geraten Paar- und Familienbande aus den Fugen.

Der Oscar-Buzz: Vanessa Kirby (32) hat für ihre Darstellung der trauernden Mutter, einsamen Partnerin und verschmähten Tochter die Coppa Volpi als beste Hauptdarstellerin am internationalen Filmfestival in Venedig erhalten. Netflix hat sich die Rechte am Film gesichert, die Branche geht von einem baldigen Filmstart aus.

Das sagen Kritiker: «Vanessa Kirbys Performance und Energie erinnern an Charlize Theron in ‹Monster›. Es könnte einer dieser Fälle werden, in denen die Oscars unverkennbares junges Talent auszeichnen.» (Clayton Davies, «Variety»)

«Pieces of a Woman» hat noch kein offizielles Startdatum.

«Nomadland»

Darum gehts: Als im ländlichen Nevada Industrie und Wirtschaft einbrechen, entschließt sich Witwe Fern für ein Leben als Van-Nomadin. Der Film basiert auf dem Buch «Nomadland: Surviving America in the Twenty-First Century», das Journalistin Jessica Bruder 2017 auf Basis ihrer Recherchen veröffentlichte.

Der Oscar-Buzz: «Nomadland» feierte am 11. September 2020 parallel an den Filmfestivals in Toronto und Venedig Weltpremiere und gewann als erster Film überhaupt im selben Jahr die jeweils wichtigsten Preise, den Goldenen Löwen und den People’s Choice Award. Sowohl Hauptdarstellerin Frances McDormand (63) als auch die aus China stammende Drehbuchautorin Chloé Zhao (38) gelten als heiße Anwärterinnen auf Trophäen. Falls Zhao als Regisseurin nominiert wird, wäre sie damit die erste chinesische Frau in der Kategorie.

Das sagen Kritiker: «Zhao könnte in vier Kategorien nominiert werden (als Produzentin, Regisseurin, Drehbuchautorin und Cutterin) und damit in die Fußstapfen von Warren Beatty treten, der in einem Jahr vier Nominierung für sich verbuchte.» (Clayton Davies, «Variety»)

«Nomadland» kommt voraussichtlich am 4. Februar in die Deutschschweizer Kinos.

«Ammonite»

Darum gehts: Südengland, im 19. Jahrhundert: Paläontologin Mary Anning lebt abgeschottet und finanziert sich und ihre kranke Mutter mit dem Verkauf ihrer Fossilienfunde. Aus Geldnot nimmt sie einen Pflegejob an, der ihr Leben komplett auf den Kopf stellt.

Der Oscar-Buzz: «Ammonite» feierte in Toronto Weltpremiere. Seither entwickelt sich Kate Winslet (45) in der Rolle als sozial isolierte Forscherin zur Oscar-Anwärterin. Neben ihr spielt Saoirse Ronan (26), die seit Jahren als eines der größten Nachwuchstalente gilt, doch die Augen der Kritikerinnen und Kritiker scheinen bisher auf Winslet fixiert zu sein.

Das sagen Kritiker: «Winslet nimmt die Rolle einer Frau ein, die kaum spricht, sich aber durch emotionale und physische Berührungen einer neuen Person öffnet und dadurch fühlt wie nie zuvor.» (Anne Thompson, «Indiewire»)

«Ammonite» startet am 28. Januar in den Deutschschweizer Kinos.

«Minari»

Darum gehts: Die koreanische Einwandererfamilie Yi strebt auf einer Farm im ländlichen Arkansas nach dem American Dream. Doch das Traumschloss clasht mit Realitäten.

Der Oscar-Buzz: Der Film von Regisseur Lee Isaac Chung (41) basiert lose auf dessen eigener Biografie und hat im Januar sowohl den Publikums- als auch den Grand-Jury-Preis am Sundance Film Festival gewonnen. Neben Regie und Drehbuch gilt auch Steven Yeun (36) in der Rolle von Familienvater Jacob Yi als Oscar-reif.

Das sagen Kritiker: «Sanft wie ein Fluss, der durchs Yis Farmland fließt, und gleichzeitig überwältigend genug, um über Generationen nachzuhallen.» (David Ehrlich, «Indiewire»)

«Minari» hat noch kein offizielles Startdatum.

«One Night in Miami»

Darum gehts: Der Film erzählt eine Geschichte, die sich in der Nacht vom 25. Februar 1964 nach dem Boxkampf zwischen Muhammad Ali (damals noch Cassius Clay) und Sonny Liston abspielte. «One Night in Miami» basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück von Kemp Powers aus dem Jahr 2013 und zeigt, wie die Real-Life-Freunde und Bürgerrechtsikonen Ali, Jim Brown, Sam Cooke und Malcolm X damals ihre Gedanken und Ideologien geformt haben könnten.

Der Oscar-Buzz: Sowohl Regisseurin Regina King (49) als auch Hauptdarsteller Kingsley Ben-Adir (34) werden bereits für die Oscars gehandelt. Sollte King für ihre Regiearbeit nominiert werden, wäre es die erste Anerkennung einer afroamerikanischen Frau in dieser Kategorie.

Das sagen Kritiker: «Bei den vier Darstellern Kingsley Ben-Adir, Eli Goree, Aldis Hodge und Leslie Odom Jr. hängt noch immer die Frage im Raum, wer in welcher Kategorie Chancen hat – vielleicht schafft es Ben-Adir im Lead, vielleicht werden es zwei Nebendarsteller.» (Clayton Davies, «Variety»)

Für «One Night in Miami» ist derzeit ein eingeschränkter US-Kinostart am 25. Dezember vorgesehen. Ab dem 15. Januar ist der Film auf Amazon Prime verfügbar.

«Borat 2»

Darum gehts: Nachdem der kasachische Journalist Borat mit seinem Blockbuster zur öffentlichen Person geworden ist, bringt er seine Tochter in die USA, um ihr einen Mann «nahe dem Thron» (sprich: im Weißen Haus) zu verschaffen.

Der Oscar-Buzz: Amazon legte das Startdatum für den Film explizit vor die anstehenden US-Wahlen. «Borat»-Macher und Darsteller Sacha Baron Cohen (48) äußerte sich mehrfach kritisch zum amtierenden US-Präsidenten und dessen Politik, und man darf davon ausgehen, dass er im neuen Werk scharf gegen den Machtinhaber schießen wird. Das Original war 2007 übrigens bereits für das beste adaptierte Drehbuch für einen Oscar nominiert.

Das sagen Kritiker: «Cohen schafft einmal mehr, was er zu einer Kunstform entwickelt hat: undercover gehen, um Menschen mit minimaler Provokation ihre wahren Gesichter und oft wenig schmeichelhaften Vorurteile vor Augen zu halten.» (Mike Flemming Jr., «Deadline»)

«Borat Subsequent Moviefilm: Delivery of Prodigious Bribe to American Regime for Make Benefit Once Glorious Nation of Kazakhstan» ist ab dem 23. Oktober auf Amazon Prime verfügbar.

(L'essentiel/Melanie Biedermann)

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