Tareq Oubrou: Der Imam, der Frankreich mit dem Islam versöhnt

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Tareq OubrouDer Imam, der Frankreich mit dem Islam versöhnt

Für einen muslimischen Geistlichen aus Bordeaux gehört der Islam zu Europa. Dafür brauchen Imame Weiterbildung, fordert ein Experte.

Die Burkini-Debatte, der Prozess gegen einen Londoner Hassprediger und die jüngsten Terroranschläge in Deutschland und Frankreich verleihen einer Frage Aktualität, die schon häufiger gestellt wurde: Gehört der Islam zu Europa? Geht es nach dem Imam von Bordeaux, muss sie ganz klar mit Ja beantwortet werden.

Tareq Oubrou macht sich stark für einen fortschrittlichen Islam und sieht keinen Widerspruch zwischen der Religion und säkularen Wertvorstellungen. Im Gegenteil: Er fordert einen Islam französischer Ausprägung, der sich auf die Werte der Republik – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – beruft.

Der Feind des IS

Der 1959 in Marokko geborene Oubrou gilt in Frankreich als progressiver Vertreter des Islams. In einer Serie von Zeitungsartikeln, TV-Interviews und in Büchern hat er die Verschleierung von Frauen kritisch hinterfragt und gefordert, homosexuelle Männer im Islam willkommen zu heißen. In einer Video-Serie für «Le Point» analysiert Oubrou derzeit zentrale Themen des Islams. Für seine Ansichten wird Oubrou von der französischen Politik hofiert. Im Jahr 2013 wurde er zum Ritter der Ehrenlegion ernannt, im Januar 2015 beriet er das Innenministerium nach den Charlie-Hebdo-Anschlägen.

Sein Islam der Toleranz findet aber nicht nur Freunde. Kritiker werfen ihm laut «Washington Post» vor, die Ansichten der Regierung nachzuplappern. Für den Islamischen Staat (IS) verkörpert Oubrou ohnehin den Feind schlechthin. Die Terrormiliz hat mehrere Fatwas gegen den «Imam der Ausschweifungen» ausgesprochen. «Er sollte ohne Zögern getötet werden», heißt es in dem französischsprachigen IS-Blatt «Dar al-Islam». Von solcherlei Drohungen lässt sich Oubrou allerdings nicht einschüchtern. Den von der Regierung angebotenen Polizeischutz lehnt er ab.

Projekt für Deradikalisierung

Seinen liberalen Ansichten lässt Oubrou, der seit den späten Achtzigerjahren französischer Staatsbürger ist, auch Taten folgen. In seiner Moschee in Bordeaux wird neben Arabisch auch Französisch gesprochen. Der Islam-Unterricht für Kinder ist sogar komplett auf Französisch. Der Imam sieht die französische Staatsbürgerschaft als «moralischen Vertrag», sich an die Regeln und Werte zu halten.

Seit Anfang 2016 hilft Oubrou den Behörden seiner Stadt, ein Pilotprogramm für die Deradikalisierung junger Islamisten zu entwickeln. Das Centre d'action et de prévention contre la radicalisation des individus (Capri) soll früh eingreifen, wenn sich bei Jugendlichen erste Tendenzen zu Gewaltbereitschaft zeigen. Mit rund 30 jungen Menschen hat das Capri seitdem gearbeitet – auch weil besorgte Familien sich an die Verantwortlichen wandten.

(L'essentiel/Mareike Rehberg)

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