Nach Sharmahd-Hinrichtung holt Regierung Botschafter zurück

Publiziert

DeutschlandNach Sharmahd-Hinrichtung holt Regierung Botschafter zurück

Der Leiter der iranischen Botschaft in Berlin wird einbestellt, der deutsche Botschafter aus Teheran vorübergehend abgezogen. Weitere Reaktionen auf die Sharmahd-Hinrichtung dürften folgen.

Kritiker bezeichneten den Prozess gegen Sharmahd als grob unfair – er durfte keinen eigenen Anwalt wählen, und sein Aufenthaltsort blieb bis zuletzt unbekannt.
Geständnisse, die im Staatsfernsehen ausgestrahlt wurden, könnten unter Folter erzwungen worden sein.
Den Vorsitz im Sharmahd-Prozess hatte Abolghassem Salawati, auch bekannt als «Richter des Todes», der von den USA und der Europäischen Union mit Sanktionen belegt wurde.
1 / 3

Kritiker bezeichneten den Prozess gegen Sharmahd als grob unfair – er durfte keinen eigenen Anwalt wählen, und sein Aufenthaltsort blieb bis zuletzt unbekannt.

Christophe Gateau/dpa

Nach der Hinrichtung des deutsch-iranischen Doppelstaatsbürgers Djamshid Sharmahd im Iran hat die Bundesregierung erste Konsequenzen gezogen. Das Auswärtige Amt bestellte den Leiter der iranischen Botschaft in Berlin ein, um ihm den «scharfen Protest gegen das Vorgehen des iranischen Regimes» mitzuteilen. Außenministerin Baerbock beorderte anschließend den deutschen Botschafter in Teheran, Markus Potzel, nach Berlin zurück. Weitere Maßnahmen behält sich die Bundesregierung ausdrücklich vor. Die deutsch-iranischen Beziehungen haben einen neuen Tiefpunkt erreicht.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Baerbock (Grüne) hatten die Hinrichtung bereits am Montag scharf verurteilt. Scholz nannte sie einen Skandal. Baerbock erklärte, die Tötung «zeigt erneut, was für ein menschenverachtendes Regime in Teheran herrscht». Teheran sei immer wieder unmissverständlich klargemacht worden, «dass die Hinrichtung eines deutschen Staatsangehörigen schwerwiegende Folgen haben wird».

Die ersten Konsequenzen sind jetzt gezogen. Dem Geschäftsträger der Botschaft wurde am Vormittag im Auswärtigen Amt der Unmut der Bundesregierung mitgeteilt. «Wir haben unseren scharfen Protest gegen das Vorgehen des iranischen Regimes übermittelt & behalten uns weitere Maßnahmen vor», schrieb das Ministerium auf der Plattform X. Einen iranischen Botschafter gibt es derzeit nicht in Berlin. Der bisherige Botschafter ist ausgereist und ein Nachfolger bisher nicht eingetroffen.

Der deutsche Botschafter Markus Potzel protestierte gleichzeitig beim iranischen Außenministerium und wurde anschließend «zu Konsultationen» nach Berlin zurückberufen. Das sind übliche Instrumentarien des diplomatischen Protests. Die nächste Stufe könnte die Ausweisung von Diplomaten sein. Bereits im vergangenen Jahr wurden nach Verkündung des Urteils zwei iranische Diplomaten ausgewiesen. Irans Regierung tat dasselbe.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich auch andere EU-Staaten anschließen, wenn Deutschland zu diesem Instrument greift. Solche konzertierten Aktionen hat es als Maßnahme gegen Russland auch schon gegeben. EU-Chefdiplomat Josep Borrell schrieb auf X nur, die EU erwäge «Maßnahmen» als Reaktion.

Sharmahd wurde 1955 in Teheran geboren, kam im Alter von sieben Jahren nach Deutschland und wuchs in Niedersachsen auf, wo er in der Landeshauptstadt Hannover Jahre lang einen Computerladen betrieb. Im Jahr 2003 zog er schließlich nach Kalifornien in den USA, wo er politisch aktiv war. In den USA war Sharmahd in der iranischen Exil-Oppositionsgruppe «Tondar» (Donner) aktiv. Die iranische Staatsführung wirft der monarchistischen Organisation vor, für einen Anschlag im Jahr 2008 in der Millionenstadt Schiras mit mehreren Todesopfern verantwortlich zu sein. Die Vorwürfe lassen sich unabhängig nicht überprüfen – Hinterbliebene hatten Sharmahds Exekution gefordert.

Folgst Du uns schon auf WhatsApp?

Abonniere unseren Kanal, aktiviere die kleine 🔔 und erhalte eine News-Übersicht sowie spannende Storys und Unterhaltung zum Feierabend.

(DPA)

Deine Meinung zählt