Bin Ladens Kurier – Die Handy-Spur zum Geheimdienst

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Bin Ladens KurierDie Handy-Spur zum Geheimdienst

Daten auf dem Handy eines Kuriers von Osama Bin Laden erhärten einen brisanten Verdacht: Der Al-Kaida-Chef könnte vom pakistanischen Geheimdienst beschützt worden sein.

Seit der Tötung von Osama Bin Laden durch ein US-Spezialkommando steht eine Frage im Raum: Wie konnte sich der Gründer des Terrornetzwerks Al Kaida jahrelang in Abbottabad verstecken, einer Stadt, die vom pakistanischen Militär dominiert wird und nur etwa drei Fahrstunden von der Hauptstadt Islamabad entfernt liegt? Die pakistanische Regierung wies bislang alle Vorwürfe, sie habe Bin Ladens Versteck gekannt, kategorisch zurück.

Ein Bericht der «New York Times» lässt nun den Verdacht aufkommen, dass zumindest der berüchtigte Geheimdienst ISI Kenntnis vom Aufenthalt des Terrorchefs hatte. Amerikanische Experten hätten auf dem sichergestellten Handy eines Kuriers von Bin Laden Kontakte zur Extremistengruppe Harakat ul Mudschaheddin entdeckt. Diese stand jahrelang unter dem Schutz des ISI, schreibt die Zeitung unter Berufung auf ranghohe US-Regierungsvertreter.

Den Geheimdienst angerufen

Eine Weiterverfolgung der Anrufe habe ergeben, dass Harakat-Mitglieder Vertreter des Geheimdienstes angerufen hätten, heißt es. Auch direkte Treffen soll es gegeben haben. Die US-Regierungsvertreter sagten der «New York Times», dass es bei den Gesprächen nicht zwangsläufig um Osama Bin Laden gegangen sein müsse. Aber die Telefonate könnten darauf hinweisen, dass die Gruppe Teil des Netzwerks gewesen sei, das dem Al-Kaida-Chef geholfen habe, jahrelang unbehelligt in Abbottabad zu leben.

Von einem «schlagenden Beweis», dass Harakat Bin Laden auf Befehl oder mit dem Wissen des Geheimdienstes ISI geholfen haben könnte, wollen die Regierungsvertreter nicht sprechen. Sollte sich der Verdacht erhärten, könnte das die angeschlagenen Beziehungen zwischen Islamabad und Washington weiter belasten. US-Außenministerin Hillary Clinton bezeichnete die Zusammenarbeit mit den Pakistanern bei einer Kongressanhörung am Donnerstag als «frustrierend» und stellte die milliardenschwere US-Militärhilfe an Islamabad in Frage.

In Abbottabad verwurzelt

Harakat ul Mudschaheddin ist eine jener Extremistengruppen, die in den 80er- und frühen 90er-Jahren mit der Zustimmung und Hilfe des ISI aufgebaut wurden. Sie kämpften ursprünglich gegen die Sowjets in Afghanistan oder im Kaschmir-Konflikt gegen den Erzfeind Indien. Harakat habe stets sehr enge Kontakte zum ISI gepflegt, bestätigen Analysten. Die Gruppe sei in der Region Abbottabad besonders tief verwurzelt. Sie hat dort eines ihrer wichtigsten Rekrutierungszentren und unterhält ein Ausbildungslager in der Nähe.

Der Anführer der Gruppe, Maulana Fazlur Rehman Khalil, lange Zeit einer der engsten Verbündeten Osama Bin Ladens in Pakistan, lebt noch heute unbehelligt außerhalb von Islamabad. Zwei ehemalige Kommandeure von Extremistengruppen, die namentlich nicht genannt wurden, zeigten sich gegenüber der «New York Times» überzeugt, dass der Geheimdienst ISI beim Schutz von Osama Bin Laden eine Rolle spielte.

(L'essentiel online/pbl/dapd)

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