Mobbing in Luxemburg – «Du fette Kuh, du bist so hässlich»

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Mobbing in Luxemburg«Du fette Kuh, du bist so hässlich»

LUXEMBURG – Beleidigungen, Drohungen, Prügel – das ist trauriger Alltag für nicht wenige Schüler im Großherzogtum. Eine neue Initiative geht nun gegen Mobbing vor.

Lally ist eine fleißige Schülerin. Als der Französisch-Lehrer vergisst, Hausaufgaben aufzugeben, fragt sie nach. Ein Raunen geht durch die Klasse. Der Lehrer dreht sich zur Tafel und schreibt die Hausaufgaben auf. Schon fliegen erste Papierkugeln auf Lally. Als der Lehrer den Klassenraum verlässt, geht es richtig los. Sie wird angeblafft, geschubst und beleidigt. Die Mitschüler leeren ihre Tasche aus. Als sie weggehen will, stellt ihr jemand ein Bein und sie fällt hin. Dann flüchtet sie. Der kleine Film der Schüler des Lycee Aline Mayrisch macht nachdenklich. Denn ziemlich jeder dürfte solche Szenen aus Schultagen kennen. «Mobbing ist Realität. Auch in Luxemburg», sagt Bildungsminister Claude Meisch.

Meisch ist Gastredner bei der Vorstellung der Initiative «Together against Mobbing», die am Dienstag im Lycee Aline Mayrisch vorgestellt wurde. Die Schule in der Hauptstadt hatte die Idee zu dem Projekt. Die Verantwortlichen wollen für das Thema sensibilisieren und andere Schüler und Lehrer informieren. Deshalb erhalten alle Luxemburger Sekundarschulen Informationsmaterial, um damit für ein besseres Klima zu sorgen. «Mehr denn je sind Schulen, öffentliche Einrichtungen und Eltern gefordert, sich den potentiellen Risiken – gerade des Internetzeitalters – zu stellen», sagt Schuldirektor Gaston Ternes.

Viele denken an Selbstmord

Nach den neuesten WHO-Studien sind 15 Prozent der Schüler regelmäßig von Mobbing betroffen. «In Luxemburg sind die Zahlen zwar etwas geringer, aber das ist kein Grund, sich zurückzulehnen», sagt Minister Meisch. Von diesen 15 Prozent denkt ein Fünftel über Selbstmord nach, warnt der Minister: «Das ist im Prinzip in jeder Klasse ein Schüler.» Und selbst wer mit seinen Gedanken nicht so weit geht, leidet enorm. Angstzuständen, selbstverletzendes Verhalten, Depressionen – so sieht der Alltag von Mobbing-Opfern aus.

Die Schüler des Lycee haben das Thema anschaulich aufgearbeitet. In drei kleinen, aber erschreckenden Filmen, zeigen sie die häufigsten Formen von Mobbing an Schulen. Neben der «normalen» Belästigung berichten sie vom Racking (Erpressung, Einschüchterung, Drohung bis hin zu Gewalt) und Cyber-Mobbing. Gerade im Internet werden schnell Beleidigungen getippt. «Du fette Kuh, du bist so hässlich», schreibt eine Schülerin in einem der Filme auf den Sozialen Netzwerken. Die eine braucht für das Schreiben wenige Sekunden, die andere hat damit sehr lange zu kämpfen. «Es war sehr unangenehm, diese Szenen zu spielen. Man kann sich fast nicht vorstellen, wie es sich in Wirklichkeit anfühlt», berichtet eine teilnehmende Schülerin. Doch es ist Realität – auch in Luxemburg.

(Henning Jochum/L'essentiel)

Ist Mobbing eine Straftat?

Schikanen oder Cybermobbing sind in Luxemburg keine explizite Straftat. Bestimmte Verhaltensweisen können aber sanktioniert werden, zum Beispiel Bedrohungen, Beleidigungen oder üble Nachrede. Ein Problem gibt es aber dennoch: Minderjährige sind in Luxemburg strafrechtlich nicht verantwortlich.

Das Projekt «Together against Mobbing» wurde initiiert vom Lycee Aline Mayrisch in Zusammenarbeit mit dem Präventionsbüro der Polizei Luxemburg. Ebenfalls beteiligt sind das Bildungsministerium, die Staatsanwaltschaft mit der Abteilung Jugendschutz, der Service national de la jeunesse, BEE Secure und das Kanner-Jugendtelefon.

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