«Schande für die Pressefreiheit»Empörung und Kritik ist nach Assange-Urteil groß
Neben zahlreichen Journalistenverbänden hat auch der UN-Berichterstatter für Folter das Assange-Urteil als «Armutszeugnis für die Justiz» scharf kritisiert.

Es sei grotesk, dass Richter und Anwälte darüber verhandelten, ob Assange einem Verfahren vor einem geheimen Gericht in den USA gewachsen sei, während er selbst gesundheitlich nicht in der Lage war, der Anhörung zuzuhören.
DPA/Dominic LipinskiMehrere Journalistenorganisationen kritisieren mit scharfen Worten ein Londoner Berufungsgericht, das die Ablehnung des US-Auslieferungsantrags für Wikileaks-Gründer Julian Assange gekippt hat. Die Organisation Reporter ohne Grenzen twitterte am Freitag, man verurteile die Entscheidung in Großbritannien. «Es ist ein brandgefährliches Signal an jede Journalistin, jeden Verleger und jede Quelle weltweit. #FreeAssange».
Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) bei Verdi zeigte sich fassungslos. «Es ist kaum zu glauben, dass die Vereinigten Staaten nun doch noch mit ihrem ungeheuerlichen Unterfangen durchkommen könnten und Julian Assange der politischen Verfolgung ausgesetzt wird. Das würde der Pressefreiheit einen irreparablen und nachhaltigen Schaden zufügen», sagte Bundesgeschäftsführerin Monique Hofmann. Assange habe Kriegsverbrechen aufgedeckt und der Öffentlichkeit damit einen großen Dienst erwiesen. Sie betonte zudem: Kein Whistleblower werde sich noch mit Informationen an Journalistinnen, Journalisten und Medien wenden, wenn er oder sie befürchten müsse, verfolgt und verhaftet zu werden.
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) sprach von einer «Schande für die Pressefreiheit». Bundesvorsitzender Frank Überall sagte, es sei ein furchtbares Urteil, «das den gesundheitlich und psychisch stark angeschlagenen Julian Assange besonders hart trifft. Es hat darüber hinaus eine verheerende Signalwirkung auf alle Whistleblower, deren Informationen und Insiderkenntnisse an die Öffentlichkeit gehören».
«Dies ist ein Armutszeugnis für die britische Justiz»
Neben zahlreichen Journalistenorganisationen hat auch der unabhängige Berichterstatter der Vereinten Nationen für Folter das Londoner Urteil im Fall Julian Assange scharf kritisiert. «Dies ist ein Armutszeugnis für die britische Justiz», sagte Nils Melzer am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. «Man kann über Assange denken, was man will, aber er ist nicht in einem Zustand, in dem man ihn ausliefern kann.» Melzer sprach von einem «politisch motivierten Urteil».
Der Londoner High Court hat ein früheres Urteil gekippt, wonach Assange aus Sorge um seine Gesundheit und die zu erwartenden Haftbedingungen in den USA nicht ausgeliefert werden sollte. «Man will ein Exempel an ihm statuieren», sagte Melzer. Es solle andere abschrecken, jemals wie Assange geheime Regierungsdokumente zu veröffentlichen.
«Hier hat eine Entmenschlichung stattgefunden»
Melzer kritisierte die «westliche Sicherheitskoalition». «Da würde ich auch Deutschland zurechnen», sagte er. «Sie alle wollen Assange nicht auf freiem Fuß sehen, weil sie das Business-Modell der Geheimhaltung schützen wollen.» Melzer hat Assange zuletzt im Mai 2019 persönlich im Gefängnis in London gesehen.
Er habe aber Kontakt zu seinem engen Umfeld. Assange sei in Isolation, die auf so lange Zeit fast jeden breche. Er sei mit Medikamenten stabilisiert, aber in sehr labilem Gesundheitszustand. Es sei grotesk, dass Richter und Anwälte darüber verhandelten, ob Assange einem Verfahren vor einem geheimen Gericht in den USA gewachsen sei, während er selbst gesundheitlich nicht in der Lage war, der Anhörung zuzuhören. «Hier hat eine Entmenschlichung stattgefunden», sagte Melzer.
(L'essentiel/dpa)