Stuhlinkontinenz und AnalrisseFehlendes Wissen über Analsex ist vor allem für Frauen riskant
Ärztinnen und Ärzte klären einem Bericht im «British Medical Journal» zufolge zu wenig über die möglichen Folgen von Analsex auf. Das sei vor allem für Frauen ein Problem.

Analverkehr wird unter heterosexuellen Paaren immer häufiger praktiziert. Galt er früher noch als verschrien, werde er heute als eine sexuelle Praktik von vielen angesehen, so die Medizinerinnen Tabitha Gana und Lesley M. Hunt in einem Leitartikel des «British Medical Journal». In den letzten Jahrzehnten sei der Anteil von jungen Frauen in Großbritannien, die Erfahrungen mit Analsex haben, laut Umfragen auf etwa ein Drittel gestiegen (siehe Box).
Analsex wird häufiger, ist aber nicht immer freiwillig
In Großbritannien hat die Nationale Erhebung über sexuelle Einstellungen und Lebensstil gezeigt, dass der Anteil derjenigen Personen zwischen 16 und 24 Jahren, die heterosexuellen Analverkehr praktizieren, in den letzten rund 25 Jahren von 12,5 auf 28,5 Prozent gestiegen ist. In den USA berichten sogar 30 bis 40 Prozent der Frauen und Männer über Erfahrungen mit Analverkehr.
Die individuelle Motivation ist unterschiedlich. Junge Frauen geben Vergnügen, Neugier, die Befriedigung des männlichen Partners und Zwang als Faktoren an. Bis zu 25 Prozent der analsexerfahrenen Frauen geben an, mindestens einmal dazu gedrängt worden zu sein.
Analsex für Frauen riskanter
Der Anstieg ist aus Sicht der beiden Chirurginnen nicht ganz unproblematisch: «Das Fehlen von Vaginalsekreten, vermehrte traumatische Abschürfungen und die seltenere Verwendung von Kondomen erhöhen das Risiko von sexuell übertragbaren Krankheiten und analen Malignomen» – bösartigen Tumoren.
Zudem könne es zu Schmerzen im Analbereich, Blutungen und Rissen in der Analschleimhaut kommen. Besonders Frauen könnten infolge der Praktik eine sogenannte Stuhlinkontinenz entwickeln und Verletzungen am Schließmuskel erleiden. «Frauen haben aufgrund ihrer unterschiedlichen Anatomie und der Auswirkungen von Hormonen, Schwangerschaft und Geburt auf den Beckenboden ein höheres Risiko für Inkontinenz als Männer», so Gana und Hunt.
Zudem seien bei ihnen die Fälle schwerwiegender, da Frauen «einen weniger robusten Schließmuskel und einen geringeren Druck im Analkanal als Männer» haben. «Die Schmerzen und Blutungen, über die Frauen nach dem Analverkehr berichten, deuten auf ein Trauma hin.» Die Risiken seien größer, wenn der Analverkehr erzwungen wurde.
Was ist Stuhlinkontinenz?
Bei einer Stuhlinkontinenz verliert ein Mensch die Kontrolle über seinen Darminhalt. Dies können Darmgase, Darmschleim oder Stuhlgang sein. Der Darm entleert sich dann selbst, ohne dass Betroffene dies willentlich beeinflussen können. Umgangssprachlich wird die Stuhlinkontinenz – analog zur als Blasenschwäche bekannten Harninkontinenz – als Darmschwäche bezeichnet. Medizinerinnen und Mediziner sprechen dagegen von anorektaler Inkontinenz.
Zu wenig Aufklärung zu Analsex
Laut den beiden Medizinerinnen ist das Wissen über die möglichen Gesundheitsfolgen begrenzt. Als Grund nennen sie zum einen die mangelnde Bereitschaft von Berufskolleginnen und -kollegen, über Analsex und die Folgen zu sprechen. Zum anderen befassten sich die Gesundheitsinformationen des britischen Gesundheitssystems NHS «nur mit sexuell übertragbaren Krankheiten und erwähnen weder anale Traumata noch Inkontinenz oder die psychologischen Folgen des Zwangs, von dem junge Frauen im Zusammenhang mit dieser Aktivität berichten.»
Stattdessen gebe es «eine Fülle von nicht-medizinischen oder pseudomedizinischen Websites», die diese Lücke oft jedoch nur vermeintlich schließen würden, so Gana und Hunt. «Anstatt jungen Frauen zu helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen, können einige Websites den gesellschaftlichen Druck erhöhen, Analsex auszuprobieren.»
Konkrete Forderungen
Die beiden Frauen appellieren an ihre Berufskollegen, künftig offener zu kommunizieren: «Angehörige der Gesundheitsberufe, insbesondere in den Bereichen Allgemeinmedizin, Gastroenterologie und kolorektale Chirurgie, haben die Pflicht, die Veränderungen in der Gesellschaft in Bezug auf Analsex bei jungen Frauen anzuerkennen und diesen Veränderungen mit offenen, neutralen und nicht wertenden Gesprächen zu begegnen.»
Bessere Informationen könnten Frauen helfen, die mit Analverkehr verbundenen Gesundheitsrisiken besser abzuwägen – und im Zweifelsfall auch «nein» zu sagen, wenn es nicht ihr ausdrücklicher Wunsch ist.
Waren dir die Risiken von Analsex bekannt?