Real-Satire – Fifa dreht einen Film und keiner will ihn sehen

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Real-SatireFifa dreht einen Film und keiner will ihn sehen

In der Geschichte des Kinos gibt es unzählige verunglückte Sport-Filme. Den vielleicht bizarrsten hat der Fußball-Weltverband drehen lassen.

Schon die Idee ist eigenartig: Ein Sportfilm, in dem nicht die Sportler die Hauptfiguren sind, sondern die Funktionäre. «United Passions» heißt das Werk, das die Geschichte der Fifa schildern soll und am Filmfestival in Cannes erstmals auf der großen Leinwand zu sehen war. Wer nicht in Cannes war – und das betrifft die allermeisten Normalsterblichen –, der wird Schwierigkeiten haben, den 105 Minuten langen Film jemals wieder auf einer Leinwand zu sehen. Es sei denn, er besitzt zu Hause einen Beamer und in der Nähe einen gut sortierten Filmverleih. Bislang kam der Streifen gerademal in sechs Ländern in die Kinos: Russland, Serbien, Ungarn, Slowenien, der Ukraine und Portugal.

Am Aufwand kann es nicht gelegen haben: Gérard Dépardieu (Jules Rimet), Sam Neill (João Havelange) und Tim Roth (Sepp Blatter!) verkörpern die Hauptfiguren. Die Kosten des Films beliefen sich auf rund 25 Millionen Euro, der Fußball-Weltverband Fifa kam für 90 Prozent der Kosten auf. Eingespielt hat er bislang ein Trinkgeld: rund 165.000 Euro. Die Zahlen stammen von der US-Firma Rentrak, die sich auf die Zählung von Zuschauerzahlen spezialisiert hat. Die SonntagsZeitung hat die erschütternden Kassenerlöse publiziert.

Desaströse Kritiken

Der in Fifa-Angelegenheiten traditionelle Shitstorm ließ nicht lange auf sich warten. «Heißer Stoff, riesiger Flop», titelt Süddeutsche.de, die Welt schreibt von einer «unsäglichen Selbstbeweihräucherung» und der englische Telegraph von «purer Propaganda». Der britische Observer tröstet sich immerhin mit der süffisanten Feststellung, dass man an der nächsten Oscar-Verleihung von Selfies von Fifa-Präsident Sepp Blatter verschont bleiben werde.

Dabei hätte der Film durchaus Licht ins halbdunkle Treiben am Zürichberg bringen können. Doch während die Rollen von Havelange oder Blatter mit internationalen Top-Stars besetzt wurden, hielt die Fifa die korrupten Funktionäre Jack Warner, Ricardo Teixeira oder Mohamed bin Hammam offenbar für zu unwichtig für einen kurzen Auftritt. Der Film führt die Fédération Internationale de Football Association von der ersten WM 1930 in Uruguay (wo ganze 20 Sekunden Fußball zu sehen sind) über die finanziellen Schwierigkeiten der 1970er-Jahre, wo Sepp Blatter auf den Plan tritt, bis zur Vergabe der ersten Weltmeisterschaft auf afrikanischem Boden, 2010 in Südafrika. Ein Film-Zitat des umtriebigen Schweizers macht seither die Runde: «Der kleinste Bruch von Ethik wird hart bestraft werden.» Es ist nicht klar, ob das ironisch gemeint ist.

«Keine Angst vor Dreck»

Mit millionenschweren Deals sanierte Blatter die Fifa, die mittlerweile über Reserven von rund 1,66 Milliarden Euro verfügt. Da kann man schon mal 25 Millionen in den Sand setzen. Blatter soll «sehr bewegt und zufrieden» sein, ließ eine Sprecherin der Produktionsfirma Leuviah verlauten. Etwas anders sieht es die Internet Movie Database (IMDb), die den Streifen auf einer Skala bis 10 mit 3,1 bewertet. Blatter-Darsteller Tim Roth übrigens soll von einem Kollegen gewarnt worden sein, dass er mit seinem Auftritt in «United Passions» seinen guten Ruf beflecken könne. Seine Antwort: «Ich bin auf einer Farm aufgewachsen. Ich habe keine Angst vor Dreck.»

(L'essentiel/Sandro Compagno)

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