Boot gekentertFünf Flüchtlingskinder ertrinken in der Ägäis
Zehn Menschen sind auf ihrer Flucht nach Griechenland gestorben. Ein vor einem halben Jahr gesunkenes Schiff mit vermutlich hunderten Leichen an Bord soll geborgen werden.

Sie schafften die Überfahrt nach Lesbos: Vater mit seinen drei Kindern. (28. Oktober 2015)
Santi PalaciosBei mehreren Bootsunglücken in der Ägäis sind innerhalb eines Tages mindestens zehn Flüchtlinge auf dem Weg von der Türkei nach Griechenland ums Leben gekommen. Vor der Insel Lesbos setzten Rettungskräfte derweil die Suche nach Überlebenden eines Schiffsunglücks fort.
Etwa 240 Menschen konnten nach einem Schiffsunglück vor Lesbos bislang gerettet werden, ein Mann und zwei Kinder wurden tot geborgen. An der Suchaktion beteiligten sich auch zahlreiche Fischer und Einwohner der Insel.
An einem Strand auf Lesbos sah ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP zuvor, wie Helfer versuchten, sechs Kinder zu reanimieren. Ein siebenjähriger Junge, der nach dem Untergang eines weiteren Flüchtlingsschiffs bewusstlos geborgen worden war, starb später in der Krankenstation von Mithymna auf Lesbos.
Am Mittwochabend wurden die Leichen von zwei Kindern und einer Frau vor der Insel Aghatonisi in der Südlichen Ägäis geborgen, wie die Behörden mitteilten. Weiter südlich vor der Insel Samos ertranken zwei Kinder und ein Mann, als ihr Boot am frühen Nachmittag sank. Ein Kind und zwei Männer wurden in der Region noch vermisst.
Hauptsächlich Kinder sterben
Damit stieg die Zahl der seit 1. Oktober bei der Flucht in griechischen Gewässern ums Leben gekommenen Menschen auf mindestens 39, wie eine AFP-Zählung ergab. Die Einsätze der griechischen Hafenpolizei würden leider immer mehr ein «beängstigendes Einsammeln von ertrunkenen Flüchtlingen», erklärte Marineminister Theodoros Dritsas.
Seit Jahresbeginn gelangten rund 560.000 Migranten und Flüchtlinge nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) über das Mittelmeer nach Griechenland. Insgesamt erreichten mehr als 700.000 Menschen auf diesem Weg Europa. Mehr als 3200 Menschen kamen demnach bei ihrer gefährlichen Reise ums Leben, die meisten von ihnen Kinder.
Andrang bei deutscher Grenze
Der Zustrom von Flüchtlingen an der österreichisch-deutschen Grenze hat auch in der Nacht zu Donnerstag unvermindert angehalten. Alleine in Wegscheid und dem Grenzübergang Achleiten-Passau seien knapp 5000 Migranten angekommen, sagte ein Sprecher der Bundespolizei in Passau in der Nacht zu Donnerstag.
Vor allem in den frühen Abendstunden hatte die Zahl der Busse, die die Flüchtlinge aus Österreich an die Grenze transportierten, noch einmal zugenommen.
Stundenlang hatte der Großteil der Flüchtlinge bei Dunkelheit, Feuchtigkeit und Kälte auf den Weitertransport nach Deutschland warten müssen. Das Hauptproblem ist mittlerweile die zu geringe Zahl von Bussen, die die Menschen von der Grenze in die Notquartiere nach Deutschland bringen.
Wrack wird geborgen
Das Wrack des Schiffes, auf dem vor einem halben Jahr im Mittelmeer vermutlich hunderte Flüchtlinge gestorben sind, soll nun doch geborgen werden. Hunderte Leichen könnten sich noch im gesunkenen Schiff befinden.
«Die Aktion sollte innerhalb von 120 Tagen abgeschlossen sein, wenn das Wetter es zulässt», sagte der zuständige Präfekt im italienischen Innenministerium, Vincenzo Piscitelli, der Nachrichtenagentur dpa. Ein privates Unternehmen sei mit dieser «zweiten Phase» der Arbeiten beauftragt worden.
Beim Unglück im April 2015 vor der Küste Libyens waren vermutlich Hunderte Menschen ertrunken. Nur 24 Leichen waren zunächst geborgen worden, 28 Menschen überlebten. Italiens Marine hatte in den sechs Monaten seit dem Unglück insgesamt 118 weitere Leichen von der Unglücksstelle in etwa 370 Metern Tiefe geborgen und vor einigen Wochen erklärt, die Bergungsarbeiten seien damit beendet.
Sehr, sehr teure Operation
«Es ist eine sehr, sehr teure Operation», sagte Piscitelli. Berichten von Überlebenden zufolge sollen sich Hunderte weitere Leichen in dem Wrack befinden. Sie sollen anschließend wenn möglich identifiziert und begraben werden.
Italiens Regierungschef Matteo Renzi hatte bereits kurz nach dem Unglück erklärt, das Wrack und die Leichen bergen zu wollen, um der ganzen Welt das Elend der Flüchtlinge im Mittelmeer vor Augen zu führen.
(L'essentiel/chk/sda)