Britannien Bizarr – Fußballer, Fremdgeher und Maulkörbe

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Britannien BizarrFußballer, Fremdgeher und Maulkörbe

Zurzeit hält ein Medienskandal Britannien in Atem. Die Zutaten haben es in sich: Eine Fußballlegende, eine großbusige Waliserin und die Beschneidung der Pressefreiheit.

«Jeder weiss, dass dies der Fussballer ist, der per Gericht versucht, Anschuldigungen über eine Sex-Affäre geheim zu halten. Doch wir hätten es Ihnen nicht sagen dürfen ...» Mit diesen Worten – und einem seitenfüllenden Foto von Fussballstar Ryan Giggs, dessen Augen mit einem dünnen Zensurbalken verdeckt sind – machte die schottische SonntagsZeitung «The Sunday Herald» am 22. Mai auf. Damit brach sie ein Tabu - wenn auch knapp nicht das Gesetz. Denn Giggs hatte im Vorfeld vor Gericht eine superprovisorische Verfügung durchgebracht, dass englischen und walisischen Medien verbietet, seinen Namen im Zusammenhang mit einer ausserehelichen Affäre mit dem Glamour-Model und «Big Brother»-Star Imogen Thomas zu nennen.

Twitter zwitschert es von den Dächern

Doch eine 'super-injunction', wie jene Gerichtsverfügungen zum Schutze von Persönlichkeitsrechten heissen, gilt nur für Medien in England und Wales, weshalb man in Schottland - und hier in der Schweiz - frank und frei über die amourösen Eskapaden der Manchester-United-Legende berichten kann. Ausserdem wird die Gültigkeit und Wirksamkeit solcher richterlichen Verfügungen im Zeitalter von Twitter und Co. sehr in Frage gestellt.

So war es auch ein Tweet vom 8. Mai, der erstmals Ryan Giggs als den bisher namenslosen Fussballer «CTB» im Prozess «CTB vs News Group Newspapers» identifizierte. Bereits damals hatte die zu News Group gehörende Boulevardzeitung «The Sun» über den Fall berichtet, dabei aber geschickt die Identität Giggs nicht eindeutig verraten. Die Nachricht über die fremdgehende Fussballlegende verbreitete sich in Windeseile durch das Twitterversum – worauf Giggs mit einer Klage reagierte. Eine Klage gegen zwölf Twitter-Nutzer, die als Hauptverbreiter der Nachricht gelten einerseits, gegen Twitter Inc. als Ganzes andererseits. Viel Glück, Herr Giggs!

«Es geht um die Pressefreiheit»

«Heute identifizieren wir den Fussballer, der in Zusammenhang mit einer superprovisorischen Verfügung in tausenden Twitter-Postings genannt wurde», schrieb der «Sunday Herald» am 22. Mai. «Weshalb? Weil wir es als unhaltbar erachten, dass das Gesetz dazu missbraucht werden kann, Zeitungen zu hindern, Informationen zu veröffentlichen, die der Öffentlichkeit mittels eines Mausklicks zugänglich sind.» Die Zeitung stellte fest, dass ihr Status als schottische Publikation ihr diesen Freiraum lässt.

Weiter betonte der «Herald», dass sie «nicht den betreffenden Fussballer irgend einer Untat beschuldigen. Ob die Anschuldigungen gegen ihn wahr sind oder nicht, ist in dieser Debatte nicht relevant.» Viel mehr gehe es um die Meinungs- und Pressefreiheit, die immer mehr bedrängt werde. Dies von Gesetzen, die ursprünglich zum Schutze von Individuen (zum Beispiel minderjährigen Straftätern) entworfen wurden, in jüngster Zeit aber vermehrt von Promis als Maulkorb-Verfügungen benutzt werden. Die Debatte ist nun losgetreten. Es gibt kaum ein Medium auf der Insel, das nun zu Wochenbeginn nicht darüber berichtet.

Busenwunder mit Maulkorb

Ein klein, klein wenig darf sich Ryan Giggs glücklich schätzen. Denn aufgrund der spektakulären Debatte über Boulevardmedien, Persönlichkeitsrechte und Social Media ist der eigentliche Anlass etwas in den Hintergrund getreten. Die dritte Partei im Prozess «CTB vs News Group Newspapers» ist Imogen Thomas, eine Vertreterin dieser sehr britischen Spezies von gesund gebauten C-Promis, die sich «Glamour Models» nennen und gerne die Nähe von überbezahlten Premier-League-Fussballer suchen. Thomas kämpft vor Gericht darum, Giggs namentlich nennen zu dürfen. Doch interessiert es wirklich, dass diese grossbusige Waliserin mit einem berühmten Fussballer ins Bett geht? Das kommt doch immer wieder mal vor. Gell, Rooney?

L'essentiel Online /

(Oliver Baroni)

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