Ex-Elitesoldat«Ich wünschte, Soleimani hätte länger gelitten»
Tausende Iraner beklagen den Tod von Qassem Soleimani. Ex-Elitesoldat Tom* aber erhebt das Glas auf die Nachricht, dass der General von den USA getötet wurde.
«Ich wünschte, Soleimani hätte länger gelitten», sagt Tom*. Der britische Ex-Elitesoldat hat dafür sehr persönliche Gründe. «Wegen Solemani gingen vier gute Freunde von mir durch die Hölle. Die schlimmste Geiselnahme in der jüngsten britischen Geschichte ging auf sein Konto.»
Rückblende auf Bagdad im Jahr 2007. Die IT-Spezialisten Peter Moore und Peter Donkin installierten in den irakischen Ministerien Anti-Korruptions-Software, die veruntreuten Geldern nachspürt – ein Novum im Irak, was aber längst nicht allen passte. «Das Geld dürfte auch für die Unterstützung von iranischen Milizen verwendet worden sein. Weder der Irak noch der Iran waren daran interessiert, dass das ans Licht kam», sagt Tom zu L'essentiel.
«Ex-Soldaten anzustellen, hat viele Vorteile»
Für die Sicherheit der beiden IT-Leute waren neben Tom auch Alan McMenemy, Alec MacLachlan, Jason Creswell und Jason Swindlehurst zuständig. Als ehemalige Soldaten, die in Afghanistan oder im Irak gekämpft hatten, arbeiteten sie jetzt im Auftrag der kanadischen Sicherheitsfirma GardaWorld. «Ex-Soldaten anzustellen, hat viele Vorteile», sagt Tom. «Sie wissen, mit Waffen umzugehen, sind teamfähig und bewältigen kritische Situationen. Und natürlich wissen sie, wie man tötet.»
Nicht nur ihre militärische Vergangenheit verband die Männer. «Wir waren wie eine große Familie», sagt Tom. «Wir lebten zusammen in einer Villa, die gleich an die US-Botschaft in der Green Zone von Bagdad grenzte. Wir standen uns sehr nahe, machten sogar gemeinsam Ferien mit den Familien.»
Der lebensgefährliche Alltag in Bagdad schweißte zusammen. «Autobomben explodierten bereits reihenweise vor dem Frühstück, wir konnten uns kaum frei bewegen», erinnert sich Tom. «Anders als die Leute von der US-Firma Blackwater behielten wir stets ein ‹low profile›. Wir fuhren keine SUVs, trugen Waffen nie sichtbar und waren wie Irakis gekleidet.» Zu dieser Zeit machten sie sich kaum Sorgen wegen Entführungen. «Es waren die vielen Anschläge von al-Qaida, die uns Kopfzerbrechen bereiteten.»
Unter einem falschem Boden des Ministeriums versteckt
An jenem Vormittag im Mai 2007 waren die beiden IT-Leute und ihre Leibwächter im Finanzministerium beschäftigt. Tom war nicht dabei. «McMenemy übernahm an diesem Tag für mich. Das hat mir wohl das Leben gerettet.»
Es ging professionell und schnell, als kurz vor Mittag 50 bewaffnete Männer in falschen Militäruniformen das Gebäude betraten und die Ausländer suchten. Nur IT-Spezialist Donkin gelang es, sich mit Hilfe von Mitarbeiterinnen des Ministeriums unter einem falschen Boden zu verstecken. «Es war dunkel und eng dort und der arme Kerl hatte keine Ahnung, was passieren würde», so Tom. «Als Verstärkung kam, weigerte er sich erst, herauszukriechen. Es war sein Glück, dass er gerade vom WC kam, als alles passierte.» Die übrigen fünf Briten, IT-Spezialist Moore und die vier Leibwächter, wurden weggebracht. «Die Jungs hatten keine Chance, auch nur ihre Waffe zu ziehen», sagt Tom. «Das hätte ohnehin keiner gemacht, denn die Entführer gaben sich ja als Soldaten der irakischen Armee aus.»
«Die ganze Sache war eine Quds-Operation»
Erst Jahre später wurde bekannt, dass schiitische Milizen die Briten entführt hatten. Laut britischen Medien standen sie unter dem Kommando von General Qassem Soleimani und seiner al-Quds-Truppen, der wichtigsten Spezialeinheit der iranischen Revolutionsgarden. «Die Operation war einfach zu gut geplant, die ganze Sache war eine Quds-Operation», vermutet auch Tom heute.
Die Entführer verlangten einen Gefangenenaustausch. Die britische Regierung ging darauf nicht ein. Mehrere Videoappelle der Gefangenen blieben wirkungslos. «Schließlich wurden meine Freunde – einer nach dem anderen – durch Kopfschüsse getötet. Zuvor hatten sie monatelang gelitten, waren geschlagen worden, hatten Scheinhinrichtungen überstehen müssen und vieles mehr», sagt Tom und fügt verbittert an: «Dieser Gefangenenaustausch lief schrecklich falsch ab. Am Schluss tauschten wir Leichen gegen wichtige irakische Gefangene aus.»
Leichen erst Jahre später übergeben
Nur IT-Spezialist Moore überlebte die Entführung. Er kam im Austausch gegen einen schiitischen Geistlichen frei – nach über zwei Jahren war er die am längsten gefangene britische Geisel im Irak.
2009 wurden die Leichen von Jason Swindlehurst, Jason Creswell and Alec MacLachlan an Großbritannien übergeben. 2012, fünf Jahre nach der Geiselnahme, nahm die britische Botschaft in Bagdad den Leichnam des vierten Sicherheitsberaters, Alan McMenemy, in Empfang.
«Die USA sind ein großes Risiko eingegangen»
«Ich denke jeden Tag an meine vier Freunde», sagt Tom. «Als ich von Soleimanis Tod hörte, schenkte ich mir ein großes Glas Whisky ein. Er hat es verdient, so zu sterben.»
Dennoch fragt sich Tom, ob der US-Schlag gegen den iranischen Supergeneral taktisch klug war. «Solemanis iranische Revolutionsgarden mischen in Kriegen und Unruheherden auf der ganzen Welt mit. Ob die Tötung Soleimanis daran etwas ändert, bezweifle ich stark. Die USA sind damit ein großes Risiko eingegangen.»
* Name der Redaktion bekannt.
Tom war Mitglied der britischen Spezialeinheit SAS und diente bis 2004 in Afghanistan. Bis heute ist er als Sicherheitsberater in Krisen- und Kriegsgebieten tätig und aktives Mitglied der britischen Militär-Reservisten.
(L'essentiel)