ParanoiaIm Trump-Team grassiert der Verfolgungswahn
Sie schließen die Türen und verstecken ihre Handys in Schubladen. Im Weißen Haus herrscht Angst vor Schnüfflern und Widersachern.

Donald Trumps Tweets über Lauschangriffe auf ihn und sein Wahlkampfteam erzielen Wirkung – bei den eigenen Leuten. Nach Wochen der Spekulation über Verschwörungstheorien gegen den neuen US-Präsidenten hat das Weiße Haus eine «Kultur der Paranoia» erfasst.
Wie die Website «Politico» mit fast einem Dutzend Interviews belegt, herrscht vor allem in den unteren Rängen des Mitarbeiterstabs ein regelrechter Verfolgungswahn. Die Angestellten fürchten, von den Geheimdiensten abgehört zu werden. Und sie wähnen sich bedroht von Karriere-Beamten aus der Zeit Barack Obamas, die Trumps Regierungspläne vereiteln wollen.
«Ich bin paranoid»
Ein Mitarbeiter stellt abends sein Büro-Handy ab und versteckt es in einer Schublade. Er glaubt, dass es abgehört werden könnte, selbst wenn es außer Betrieb ist. Für Anrufe geht er in ein benachbartes Zimmer und verwendet ein privates Telefon. «Ich bin paranoid», sagt er mit Verweis auf all die Lecks von vertraulichen Informationen. «Alles von Bedeutung scheint am nächsten Tag auf der Frontseite der Zeitung zu stehen.»
Angestellte des mittleren Kaders beklagen, dass die Verdächtigungen das Arbeitsklima in einem Maß vergifteten, das längerfristig nicht aufrechtzuerhalten sei. «Die Leute haben Angst», sagt ein Mitarbeiter zu «Politico». Unter Trump sei das Weiße Haus zu einer «ziemlich feindseligen Arbeitsumgebung» geworden.
Trump misstrauisch
Präsidentensprecher Sean Spicer – eine der wenigen mit Namen zitierten Quellen in der Story – lehnt die Paranoia-Diagnose ab. Handy-Checks gehörten nicht zur Politik im Weißen Haus, sagte er. Laut «Politico» ist Trump indes dafür bekannt, dass er aus Misstrauen die Belegschaft seiner Golfplätze, Hotels und Casinos sorgfältig überwachen lässt.
Die Verdächtigungen betreffen zum einen die Central Intelligence Agency (CIA). Viele Trump-Leute glauben, dieser größte US-Geheimdienst wolle die neue Präsidentschaft mit gezielten «Leaks» unterminieren. So sollen die Informationslecks gegen den damaligen Sicherheitsberater Michael Flynn auf das Konto der CIA gehen.
Geheim-Apps werden populär
Vielen Mitarbeitern passt es andrerseits nicht, dass die Vorgesetzten Zugang zu ihren E-Mails haben. Deshalb benutzen sie auf ihren privaten Handys Messaging-Apps mit Verschlüsselung wie etwa Confide und Signal. Laut «Politico» erfreut sich Wickr steigender Beliebtheit. Diese Applikation erlaube es, eine Zeitspanne einzustellen, nach der sich E-Mails in der Inbox des Empfängers selbst zerstörten.
Mitarbeiter in Ministerien glauben sich zudem belagert von Bürokraten. Ein Opfer soll der von Trump im Energieministerium angestellte Sid Bowdidge sein. Er wurde entlassen, nachdem über ein Jahr alte Anti-Muslim-Äußerungen auf Twitter bekannt geworden waren. Es habe sich um «Charaktermord» gehandelt, glaubt Bowdidge. «Viele dieser Karriereleute wurden in den letzten acht Jahren eingestellt, sie sind Obama-Unterstützer», sagte er. «In der Regel hassen sie Trump.»
Die These, dass Exponenten eines «Deep State», eines Staates im Staat, die Arbeit der neuen Administration hintertreiben, wurde vergangene Woche von Spicer gestützt. Der Sprecher sagte: «Es kann nicht überraschen, dass es Leute gibt, die sich während acht Jahren in die letzte Regierung eingegraben haben und die noch immer an deren Ziele glauben.»
(L'essentiel/sut)