In LuxemburgIn diesen Branchen gibt es die meisten freien Stellen
LUXEMBURG – Die heimischen Betriebe melden so viele freie Jobs wie noch nie zuvor. Wie wirkt sich der Fachkräftemangel in der Praxis aus?
Luxemburgs Konjunktur brummt – und wie. Das belegen folgende Zahlen: Die Zahl der Beschäftigten übersteigt mittlerweile die Marke von 450.000 Personen, die Arbeitslosenrate betrug im Oktober nur noch 5,3 Prozent – 1,6 Prozentpunkte weniger als fünf Jahre zuvor. Und: Der wirtschaftliche Aufschwung schafft so viele freie Stellen wie noch nie.
7916 Jobangebote listet die Agentur für Arbeit (Adem) in ihrer Datenbank. Vergangenen Juli waren es sogar 8150 – ein Allzeit-Rekord. Der Personalmangel macht sich quer durch alle Branchen bemerkbar, gesucht werden sowohl qualifizierte als auch unqualifizierte Arbeitskräfte. Besonders gefragt: IT- und Finanzexperten, Buchhalter und Empfangsmitarbeiter.
«90 bis 95 Prozent unserer Mitglieder klagen über Personalmangel», bestätigt René Winkin vom Industriellenverband Fedil, der 585 Unternehmen aus 37 Branchen vertritt. Die lange Liste an freien Stellen könnte sich aber in den nächsten Jahren verkürzen, meint Winkin: «Wir wissen heute noch gar nicht, welche Auswirkungen die zunehmende Automatisierung auf den Arbeitsmarkt und die Produktivität haben wird.»
Auch Hotels und Restaurants in Luxemburg suchen händeringend nach neuen Mitarbeitern, bestätigt François Koepp vom Verband Horesca. Weil Köche, Kellner und Hilfskräfte fehlen, müssen Betreiber früher schließen, ihre Karte reduzieren oder Gäste ablehnen. Seine Begründung, warum so viele Jobs nicht besetzt werden: «Jobs in der Gastronomie oder in der Hotellerie genießen in der Gesellschaft keine Wertschätzung mehr», klagt der Horesca-Generalsekretär. «Arbeiten bis spätnachts oder am Wochenende, wer will sich das schon noch antun? Da nehmen viele lieber eine Stelle beim Staat an.»
Luxemburg wirbt um ausländische Fachkräfte
Um mehr Arbeitskräfte aus anderen EU-Ländern nach Luxemburg zu locken, hat die Adem kürzlich eine neue Website ins Leben gerufen. «Luxembourg – great place to live and work», lautet einer der Slogans auf der Seite. Testimonials schildern, was sie am Großherzogtum schätzen: Die Multikulturalität, Karrieremöglichkeiten und die Nähe zu europäischen Großstädten.
Dabei kommen schon jetzt viele Fachkräfte aus Osteuropa ins Großherzogtum. So wohnen mittlerweile 4700 Rumänen und 1800 Ungarn in Luxemburg – drei Mal beziehungsweise doppelt so viele als noch 2011. Und über das EU-Programm für Hochqualifizierte («Blue Card») haben allein im Vorjahr 671 Drittstaatler – unter anderem Inder, Chinesen, Russen und Amerikaner – eine gut bezahlte Anstellung in Luxemburg gefunden.
Bonus für Bewerberempfehlung
Recruiter müssen (derzeit) alle Register ziehen, um freie Stellen zu besetzen. Ein herkömmliches Inserat auf einem Jobportal reicht meist nicht mehr aus. Weil die Suche nach Fachkräften immer schwieriger wird, greifen Unternehmen vermehrt auf Strategien aus dem Empfehlungsmarketing zurück, berichtet Julian Evans, Direktor des Personaldienstleisters KR Recruitment: Bestehende Mitarbeiter werden in die Personalsuche miteinbezogen – und bei erfolgreicher Rekrutierung eines geeigneten Bewerbers mit einem Bonus belohnt.
Qualifizierten Arbeitnehmern und Bewerbern kommt die aktuelle Personalnot durchaus entgegen. Sie können sich gegenüber den Vorgesetzten als «besondere Rarität» verkaufen – und so ein höheres Gehalt oder weitere Vorteile wie etwa einen Dienstwagen herausschlagen. Doch Evans sieht auch Warnsignale: Wegen der steigenden Immobilienpreise und dem überlasteten Verkehrsnetz könnte Luxemburgs Anziehungskraft für junge Talente sinken. Unternehmen blicken zudem mit Sorge auf die steigenden Lohnkosten. Alles Faktoren, die den rot-weiß-hellblauen Aufschwung jäh stoppen könnten.
(Jörg Tschürtz/L'essentiel)