Protest – Iranische Frauen nehmen den Schleier ab

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ProtestIranische Frauen nehmen den Schleier ab

Eine Iranerin protestierte im Dezember gegen den Kopftuchzwang und wurde verhaftet. Jetzt folgen gleich mehrere andere Frauen in Teheran, und ein Mann, ihrem Beispiel.

Sie stellen sich auf Mauern, Elektrizitätskästen oder Bänke, einen Stock in der Hand, an dem ihr Kopftuch wie eine Fahne weht: In der iranischen Hauptstadt Teheran haben am Montag mehrere Frauen gegen das im Land obligatorische Tragen des Hidschabs protestiert und ihr Kopftuch an stark frequentierten Orten in der Öffentlichkeit abgenommen.

Kurz zuvor war ihr Vorbild, Vida Movahed, angeblich aus der Haft entlassen worden. Die 31-Jährige war im Dezember zum Symbol der seit 2009 heftigsten Proteste im Iran geworden. Sie hatte mitten in Teheran ihren Hidschab an einem Stock wie eine Flagge durch die Luft geschwenkt. Daraufhin war sie festgenommen worden. Reza Khandan, Ehemann der renommierten Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotudeh, twitterte am Montag Movaheds Freilassung.

Öffentlicher Protest gegen den Kopftuchzwang:

«Wir sind stolz auf sie und wollen es auch tun»

Unterschiedlichen Angaben zufolge entledigten sich in Teheran am Montag und Dienstag mindestens sechs bis zehn Frauen ihres Kopftuches. Auf sozialen Medien wurden Fotos von ihnen rege geteilt. Einige sollen von der Polizei festgenommen worden sein, bezieht sich die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» auf Augenzeugen.

«Die Frauen sind mutig», sagt P. A.*, eine 34-jährige Kunstexpertin aus Teheran.. In ihrem Freundeskreis würden deren Aktionen heiß diskutiert. «Wir sind stolz auf sie und wollen es auch tun», so A. Sie selber hält sich aus Sorge um ihre Mutter, um die sie sich kümmert, aber zurück.

In Iran müssen alle Frauen und Mädchen ab neun Jahren in der Öffentlichkeit ein Kopftuch sowie einen langen, weiten Mantel tragen, um Haare und Körperkonturen zu verbergen. So hält es das Gesetz seit knapp 40 Jahren fest. Den «Anti-Kopftuch-Demonstrantinnen» drohen mehrwöchige Haftstrafen.

Männer unterstützen die Frauen in ihrem Protest

«Der Protest gegen den Kopftuchzwang ist alt, aber dass ihn die Frauen so öffentlich austragen – das gab es noch nie», sagt Omid Rezaee, ein iranischer Journalist, der seit 2015 in Berlin lebt. Er schreibt für verschiedene iranische Exil-Medien sowie deutsche Publikationen. Gegen den friedlichen Protest könne die Justiz nur kleine Geld- und Haftstrafen verhängen. Rezaee geht deshalb davon aus, dass die aktuellen Proteste eine Kettenreaktion auslösen und immer mehr Frauen den Mut fassen, öffentlich ihr Kopftuch abzunehmen. «Natürlich gibt es solche, die das Kopftuch freiwillig tragen oder auch den Kopftuchzwang gut heißen.» Zahlreiche Frauen würden aber eben auch öffentlich dagegen halten.

Am Dienstag tauchte auf Twitter erstmals auch das Bild eines Mannes auf, der ein weißes Kopftuch schwenkte. Auf eben jenem Sockel, auf dem im Dezember Vida Movahed gestanden hatte. Rezaee ist überzeugt, dass weitere Männer folgen. «Der Protest wird weitergehen.»

Auf Twitter wurden die Aktionen gegen den Kopftuchzwang auch von iranischen Frauen unterstützt, die gläubig sind und einen Schleier tragen. «Ich trage den Schleier freiwillig und glaube auch daran (...), genauso aber bewundere ich die Frauen, die nun mutig gegen das obligatorische Kopftuch protestieren», twitterte Zahra Safyari. Weder bei der Ausübung einer Religion noch bei deren Vorschriften sollte es irgendwelche Zwänge geben, schrieb die Muslimin weiter.

(L'essentiel/kko)

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