Saudischer JournalistJetzt spricht die Verlobte des Verschwundenen
Seine Verlobte wartete vor dem saudischen Konsulat in Istanbul vergeblich auf ihn: Jamal Khashoggi kam nicht wieder heraus. Jetzt will Hatice Cengiz nur eines wissen: «Wo ist Jamal?»

Das Paar hatte gerade eine Wohnung in Istanbul eingerichtet, wo es nach der Hochzeit gemeinsam leben wollte. Doch jetzt fühle es sich an, als sei sie nicht mehr wirklich am Leben, sagt Hatice Cengiz der Washington Post. Seit dem Verschwinden ihres Verlobten beschäftigt die 36-Jährige nur eines: «Wo ist Jamal?»
Der saudische Journalist und Regimekritiker Jamal Khashoggi hatte vor einer Woche das saudi-arabische Konsulat in Istanbul betreten und es nach türkischer Darstellung nicht wieder verlassen. Die türkische Polizei geht inzwischen davon aus, dass Khashoggi im Konsulat ermordet wurde. Saudi-Arabien weist diesen Vorwurf als haltlos zurück.
Khashoggis Verlobte steht seither unter Polizeischutz. Zuvor war sie selbst vernommen worden und Beamte hatten Kleider und persönliche Gegenstände des Journalisten für DNA-Proben mitgenommen. «Ich kann nicht schlafen. Ich kann nicht essen», beschreibt Cengiz ihren Zustand.
Khashoggi hatte die Politik seiner Heimat kritisiert und fürchtete nach eigenen Angaben Vergeltung. Das vergangene Jahr verbrachte er im Exil.
Die letzten Worte
Sie hatte Khashoggi zum Konsulat begleitet, wo dieser Dokumente für die bevorstehende Hochzeit abholen wollte. Im Taxi auf dem Weg zum Konsulat hätten sie sich über ihre gemeinsame Zukunft unterhalten, schildert Cengiz der Post die Stunden vor seinem Verschwinden.
Sie werde draußen nahe dem Eingang auf ihn warten, habe sie zu ihm gesagt. «Gut, Liebling», so seine Antwort. Dann betrat Khashoggi die saudische Vertretung.
Rund drei Stunden später realisierte Cengiz, dass etwas nicht stimmen konnte. Die saudische Botschaft schließt um halb vier Uhr nachmittags und es war bereits vier Uhr. «Wo ist Jamal?», fragte sie einen Angestellten am Tor. «Da ist niemand mehr drin», bekam sie zur Antwort.
Die Liebesgeschichte
Seit dem offenbar erzwungenen Verschwinden des Journalisten tauchte in prosaudi-arabischen Onlineforen mehrmals der Verdacht auf, die 36-Jährige sei in ein Komplott verstrickt, um das Königreich in Verruf zu bringen.
Darauf angesprochen, scrollt Cengiz durch die Fotos vom Sommer auf ihrem Smartphone. Sie zeigen Selfies eines glücklichen Paars, eng aneinandergeschmiegt. «Ich existiere wirklich, und er ist mein Verlobter», sagt sie. Die Liebe der beiden ist noch jung. Erst im Mai lernten sie sich bei einer Konferenz in Istanbul kennen, wo Khashoggi einen Vortrag hielt.
Im Anschluss daran seien sie ins Gespräch gekommen, erzählt Cengazi im Interview mit der Zeitung. Der Kontakt hielt und sie trafen sich wieder. «Die Verbindung wurde stärker und stärker», sagte Cengiz.
Khashoggi sei fest entschlossen gewesen, zu heiraten, sagen sie und Freunde des Journalisten. Als der 59-Jährige vergangenen Monat bei Cengiz' Vater um ihre Hand anhielt, war dieser wegen des großen Altersunterschieds zunächst skeptisch, willigte dann aber doch ein.
«Ich gebe die Hoffnung nicht auf»
«Als seine Verlobte, als jemand, der Jamal nahesteht und ihn liebt, warte ich auf Informationen meiner Regierung. Ich will wissen, was passiert ist», sagt Cengiz. Es sei aber vor allem an den saudi-arabischen Verantwortlichen zu erklären und zu beweisen, ob, wie und wann Khashoggi das Konsulat verlassen habe.
«Ich gebe die Hoffnung nicht auf», so Cengiz. Solange sie keinen gegenteiligen Beweis habe, glaube sie weiter daran, dass ihr Verlobter am Leben sei.
(L'essentiel/kko)