Champions League – Nagelsmann trifft auf seinen Ex-Chef Tuchel

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Champions LeagueNagelsmann trifft auf seinen Ex-Chef Tuchel

Von Gersthofen nach Lissabon. Das anstehende Trainer-Duell zwischen Julian Nagelsmann und PSG-Coach Thomas Tuchel führt zurück bis in die bayerisch-schwäbische Provinz.

Es ist lange her, aber: Julian Nagelamann hat in der bayerisch-schwäbischen Provinz schon unter Thomas Tuchel gearbeitet.

Es ist lange her, aber: Julian Nagelamann hat in der bayerisch-schwäbischen Provinz schon unter Thomas Tuchel gearbeitet.

DPA/Miguel A. Lopes

Ganz Fußball-Europa staunt über das frische, freche RB Leipzig, und die Lobeshymnen könnten Julian Nagelsmann glatt den Kopf verdrehen. Vor dem brisanten Duell um den Einzug ins Finale der Champions League ausgerechnet gegen seinen Entdecker Thomas Tuchel schickte der jüngste Halbfinal-Coach der Königsklassen-Historie seine Atlético-Bezwinger zum lockeren Auslaufen an der Atlantikküste, als sei gar nichts Besonderes geschehen.

«Gut essen, gut trinken, keinen Alkohol, sondern viel Wasser, den Flüssigkeitshaushalt auffüllen. Viel schlafen, und dann ist das Spiel, was bevorsteht, eine große Sache», verkündete der 33-Jährige seinen Masterplan für die nächste Station der selbst ausgerufenen «Missão Final» am Dienstag (21 Uhr/Sky) gegen Paris Saint-Germain.

Die via Instagram gezeigten Feierlichkeiten in der Kabine des Estádio José Alvalade nach dem 2:1 gegen Atlético Madrid muteten schon an wie eine echte Champions-Party von Siegtorschütze Tyler Adams und Abwehrgigant Dayot Upamacano. Nagelsmann will sich aber trotz des großen Respekts, der ihm und seinem Team entgegenschlägt, nicht zu weit nach vorne wagen. Auf die Frage nach einer sicherlich anstehenden Titelansage reagierte er mit einem herzhaften Lachen.

« Es ist ja selbstredend, dass wir jetzt ins Finale kommen wollen. »

Dass der Griff nach dem Henkelpott beim Blitzturnier von Lissabon möglich ist, weiß er auch. «Eine Titelansage gibt es nicht, aber es ist ja selbstredend und selbsterklärend, dass wir jetzt ins Finale kommen wollen», sagte Nagelsmann. Ein Vergleich mit Otto Rehhagel verbietet sich eigentlich. Komplett unterschiedlich sind Charakter, Generation und persönlicher Werdegang. Aber an exakt der gleichen Stelle hatte die deutsche Trainer-Ikone vor 16 Jahren als großer Underdog mit Griechenland einen Viertelfinalsieg gegen Frankreich gefeiert - gekrönt vom EM-Triumph wenige Tage später im Estádio da Luz, wo Nagelsmann am 23. August auch seinen Mega-Coup landen könnte.

Gut möglich, dass seine Gedanken in den wenigen ruhigen Momenten im edlen Palacio Estoril Hotel Golf & Spa nach Gersthofen wandern. In der bayerisch-schwäbischen Provinz erledigte er im kalten Januar 2008 seinen ersten Job als Trainer-Gehilfe. Und zwar im Auftrag eines gewissen Thomas Tuchel. So schreiben es dessen Biografen Daniel Meuren und Tobias Schächter in ihrem Buch über den PSG-Coach. Der 20 Jahre alte Nagelsmann sollte Informationen über den Gegner des FC Augsburg II sammeln und war ziemlich aufgeregt.

« Wir haben noch nie ein extrem inniges Verhältnis gehabt. »

Jetzt will Nagelsmann die Anfänge seiner Trainer-Laufbahn und die bemerkenswerten Schnittstellen mit Tuchel nicht in den Mittelpunkt stellen. «Das ist lange Jahre her», meinte der RB-Coach. «Das Verhältnis ist, seitdem er bei PSG ist, normal. Wir haben noch nie ein extrem inniges Verhältnis gehabt», sagte der 33-Jährige. Für ihn war es sportlich auch keine glückliche Zeit, ein Meniskusschaden zwang ihn zum Abbruch der noch gar nicht richtig begonnen Spielerkarriere.

Nach den Siegen gegen José Mourinhos Tottenham und Diego Simeones Atlético kann Nagelsmann Tuchel auf Augenhöhe begegnen. Keiner schaffte Königsklassen-Siege gegen die Trainer-Heißsporne in einer Saison. Seine Rolle beim nächsten Coup gegen einen unangenehmen Widersacher wollte Nagelsmann nicht überbewerten: «Ich muss schon festhalten, dass die Mannschaft und wir als Kollektiv Tottenham ausgeschaltet haben und heute Atlético. Da geht es nicht um Trainerduelle gegen Mourinho, Simeone oder jetzt gegen Tuchel. Es ist ein Mannschaftssport, und die Mannschaft hat es herausragend gemacht.»

Von der 3. Liga bis in die Champions-League in sieben Jahren

Internationalen Respekt hat sich RB mit seinem Siegeszug unter die Top 4 Europas verschafft. «Ein 2009 gegründeter Club, der erst zum zweiten Mal in der Champions League antritt, wächst im Tempo seines talentierten Nachwuchses, angeführt vom vielversprechenden Trainer Julian Nagelsmann», schrieb das französische Blatt Le Figaro, um zu schlussfolgern: «Ein frischer Wind weht über Lissabon.» Und die spanische Zeitung Marca schrieb von einem Leipziger «Bienenschwarm», der über Atlético hergefallen sei.

Die italienische Zeitung La Repubblica erinnerte an den rasanten Aufstieg in elf Jahren, aber auch daran, dass dieser nur durch die Finanzierung von Brause-Milliardär Dietrich Mateschitz möglich gewesen sei. Das Konstrukt RB wird international wahrgenommen und auch kritisch kommentiert. «Mutige Wohlfühlgeschichte. Denkt man nur nicht an die multinationale Getränkemarke, die die Reise finanziert hat», schrieb ein Reporter der New York Times auf seinem privaten Twitter-Account.

Die Leipziger wollen die romantische Seite des sportlichen Märchens hervorheben. Den rasanten Aufstieg fasste Kapitän Yussuf Poulsen zusammen. «Das ist eine außergewöhnliche Geschichte. Von der 3. Liga bis ins Champions-League-Halbfinale. Das gab es noch nie, weder für einen Verein noch für einen Spieler. Deshalb ist es großartig», sagte er. Auf den Tag genau sieben Jahre vor dem Halbfinaltermin am kommenden Dienstag hatte Poulsen am 18. August 2013 mit RB noch in der 3. Liga gegen den MSV Duisburg gespielt.

(L'essentiel/dpa)

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