Nordmazedonien«1500 Menschen auf engstem Raum – Sie wurden getötet»
Nach dem verheerenden Brand in einem Nachtclub in der nordmazedonischen Kleinstadt sind die Menschen traurig, geschockt – und wütend. Ein Augenschein vor Ort.


Kochani ist eine ruhige Kleinstadt, die Hauptstraße zieht sich durch den ganzen Ort, teils gesäumt von Bäumen. Knapp 25.000 Menschen leben hier. Viele ziehen weg, sobald sie können und im Ausland eine bessere Chance wittern. Der Durchschnittslohn liegt bei einigen Hundert Euro, die guten Jobs gibt es alle in der rund 100 Kilometer westlich gelegenen nordmazedonischen Hauptstadt Skopje. Das erzählen die Menschen, die der Stadt schon vor Jahren den Rücken gekehrt haben.
Nachdem in der Nacht auf Sonntag in einem Club, der längst keine Bewilligung mehr hatte und in dem sich laut Aussagen von Anwohnern und Clubbesuchern niemand um Sicherheitskonzepte oder Brandschutz kümmerte, ein Feuer ausgebrochen war, ist es am Tag danach bei der Zufahrtsstraße verdächtig still. 59 Menschen kamen mindestens im Feuer ums Leben, vor allem Teenager und junge Erwachsene. Am Sonntag riegeln einige Polizisten die Umgebung ab, hin und wieder fährt ein Krankenwagen vor oder verlässt die Absperrung.
Diese Funken entfachten das Feuer im Club.
Die Menschen haben sich andernorts eingefunden: Vor dem schäbig wirkenden Krankenhaus haben sich über hundert Menschen versammelt, vor allem Angehörige von Opfern des Brandes. Die Stimmung ist angespannt, die Menschen trauern, einige lassen ihrem Schmerz und ihren Tränen freien Lauf. Andere sind wütend: «Unsere Kinder sind in diesem Feuer in Kochani gestorben, sie sollen in Kochani bleiben. Sie sind tot und wir wissen, wieso. Sie müssen nicht erst nach Skopje gebracht werden, um festzustellen, dass sie im Feuer gestorben sind», ereifert sich ein Vater, der seinen einzigen Sohn im Feuer verloren hat.
Je mehr Zeit vergeht, desto angespannter wird die Stimmung. Die Menschen wollen nicht reden, weder mit dem 20-Minuten-Reporter noch mit den lokalen Fernsehteams. Irgendwann drängen Polizisten die Journalisten zurück. Zeit, sich auf den Weg ins Zentrum der Kleinstadt zu machen. Dort trifft der 20-Minuten-Reporter auf den 20-jährigen Luka: Er lebte 13 Jahre lang in Deutschland, ging dann aber zurück nach Mazedonien, um seine Fußballkarriere voranzutreiben. Luka verlor im Feuer einen guten Freund, kurz zuvor hatten sie noch gemeinsam Fußball gespielt. «Wer weiß, wäre unser Spiel nicht verschoben worden, wäre ich womöglich auch in diesem Club gewesen», sagt er.

Luka spielte kurz vor dem Brand noch Fußball mit einem der Todesopfer und es hätte auch ihn treffen können, wie er sagt: «Wer weiß, wäre unser Spiel nicht verschoben worden, wäre ich womöglich auch in diesem Club gewesen.»
20min/Mikko StammAuch die 22-jährige Andrea und die 23-jährige Jovana waren in der verhängnisvollen Nacht im Club. «Wir arbeiten beide an der Universität. Ich verließ den Club sieben Minuten, bevor das Feuer ausbrach», sagt Jovana. Ein Freund habe sie angerufen und erzählt, dass der ganze Club abgebrannt sei. Andrea war noch im Club: «Wir hatten Angst, es war schrecklich. Die Menschen schrien.» Dann bricht sie ab. Sie kann nicht weitersprechen.
Diejenigen Bewohner von Kolchani, die mit den Medien sprechen, kennen alle jemanden, der im Club gewesen ist und verletzt worden ist oder gestorben ist. «Es ist ein kleiner Ort, die Menschen kennen sich hier», sagt der 52-jährige Saša. 20 Minuten trifft ihn abends an einer Promenade im Zentrum der Stadt, wo die Menschen sich eingefunden haben, um zu trauern und Kerzen für die Verstorbenen anzuzünden. «So weisen wir ihnen den Weg in den Himmel. Das haben sie verdient», sagt Saša unter Tränen.

Sašas Tochter überlebte den Brand. Der Vater ist wütend darüber, dass so viele Menschen in den zu kleinen Club gelassen wurden.
20min/Mikko StammAuch seine Tochter war im Club, konnte aber entkommen. Saša ist wütend, weil er eine klare Meinung hat, wer Schuld am Tod dieser Menschen ist: «Wenn du einen Ort hast, der nicht für 1500 Menschen ausgelegt ist, und du steckst trotzdem 1500 Menschen da rein. Wenn du da ein Konzert veranstaltest, ohne irgendwelche Sicherheitsstandards einzuhalten oder Fluchtwege zu haben. Wenn dann ein Feuer ausbricht und die Menschen nicht fliehen können. Dann ist das Mord.»
Saša ist überzeugt, dass in Kochani nie wieder etwas sein wird wie zuvor: «Wir warten darauf, dass die Toten begraben werden. Dann wird es hier Proteste geben, eine Revolte.»
Trauerst Du, oder jemand, den Du kennst?
Hier findest du Hilfe:
SOS Détresse – Sorgen-Hotline: Tel. 454545
Kinder- und Jugendtelefon – Sorgen-Hotline: Tel. 116111
Omega90 – Trauerbegleitung
Trauerwee – Trauerbegleitung für Kinder und Jugendliche