Pilotprojekt: Gras in den Niederlanden erstmals testweise legal – das steckt dahinter

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PilotprojektGras in den Niederlanden erstmals testweise legal – das steckt dahinter

Obwohl Amsterdam als Kiffer-Hauptstadt schlechthin gilt, mussten die Coffeeshops ihre Ware bislang illegal einkaufen. In einem Versuch liefern jetzt erstmals zertifizierte Betriebe das Gras.

Benedikt Hollenstein
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Benedikt Hollenstein
Erstmals können die Niederländer völlig legal Cannabis rauchen.
Die Nachricht irritiert wohl viele – schließlich gilt Amsterdam mit seinen vielen Coffeeshops seit Jahrzehnten als Kiffer-Hauptstadt.
Doch die Coffeeshops mussten bislang immer Gras von Drogendealern kaufen, um dieses dann unter ihrer Lizenz im Geschäft zu verkaufen.
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Erstmals können die Niederländer völlig legal Cannabis rauchen.

IMAGO/Pond5 Images

Erstmals können Personen in Amsterdam und zehn weiteren Städten legal angebautes Cannabis kaufen – zumindest für die nächsten vier Jahre, in denen das Experiment laufen soll. Wer sich jetzt wundert, ob das Kiffen in der inoffiziellen Gras-Hauptstadt nicht schon längst legal ist, ist wohl nicht alleine. Doch tatsächlich mussten die Coffeeshops bislang immer von illegalen Dealern kaufen – und waren dabei auch in der Menge begrenzt.

Aber Gras ist in den Niederlanden doch legal?

Nein, das ist ein großes Missverständnis: Legal ist Cannabis in den Niederlanden nicht. Seit 1976 wird aber der Verkauf und Konsum kleiner Mengen in Coffeeshops «gedoogd» – also geduldet. Wer dort Haschisch oder Marihuana konsumiert, verstößt zwar offiziell gegen das Gesetz, wird aber nicht strafrechtlich verfolgt.

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Bisher ist es in den Niederlanden allerdings illegal und auch nicht geduldet, Cannabis anzubauen oder die Coffeeshops zu beliefern.

Darum läuft jetzt der Versuch an

Weil Anbau und Großhandel verboten sind, sind die fast 570 Coffeeshops im Land bisher gezwungen, Cannabis bei illegalen Händlern zu kaufen, die oftmals der organisierten Kriminalität zuzurechnen sind. Die ohnehin nicht unumstrittene niederländische Toleranzpolitik hat also zu einer bizarren rechtlichen Grauzone geführt.

Um die Rechtslage zu verbessern und auch die Drogenkriminalität insgesamt zu bekämpfen, beschloss die Regierung in Den Haag schon 2019 das Pilotprojekt zum legalen Cannabis-Anbau. Seitdem wurden die genauen Rahmenbedingungen ausgehandelt.

So soll das Pilotprojekt ablaufen

Während des Pilotprojekts werden Anbau und Handel in elf Kommunen erlaubt. Neben Städten wie Arnheim, Groningen, Breda, Maastricht und Tilburg ist auch der Amsterdamer Stadtbezirk Amsterdam-Oost mit dabei. Alle Coffeeshops in den teilnehmenden Kommunen müssen an dem Experiment teilnehmen.

Die Coffeeshops werden während des Experiments von zehn zertifizierten Anbaubetrieben beliefert und dürfen auch mehr als die bisher zulässige Höchstmenge von 500 Gramm Cannabis einlagern. Alle anderen gesetzlichen Vorschriften bleiben gleich: Erlaubt ist der Verkauf von maximal fünf Gramm Haschisch oder Marihuana pro Person und Tag. Der Verkauf an Minderjährige ist verboten – genauso wie der Verkauf und Konsum von Alkohol und harten Drogen.

Das soll mit dem legalen Anbau erreicht werden

Das legal angebaute Cannabis wird streng kontrolliert und getestet, damit Verbraucherinnen und Verbraucher genau wissen, wie stark die Droge ist. Gemessen wird dazu der Gehalt der Wirkstoffe THC und CBD. Kontrolliert wird auch, ob das Cannabis gesundheitsschädliche Schwermetalle oder das Schimmelpilz-Gift Aflatoxin enthält.

Die Coffeeshop-Betreiber hoffen daher neben rechtlicher Klarheit auf eine Qualitätsverbesserung. Bisher habe er fast nichts über die Qualität seiner Ware gewusst, sagte der Coffeeshop-Betreiber Rick Brand aus Breda, wo schon im Oktober eine Testphase für das Experiment startete. Manchmal habe das Cannabis etwa Pestizide oder Zusatzstoffe zur Steigerung des Gewichts enthalten.

Die Kommunen hoffen wiederum auf einen Rückgang der Kleinkriminalität und anderer negativer Folgen der Toleranzpolitik.

Darum könnte der Versuch nur von kurzer Dauer sein

Das Experiment wird engmaschig überwacht und nach vier Jahren ausgewertet. Die Regierung hat angekündigt, «auf der Grundlage dieser Ergebnisse und anderer Faktoren über die Zukunft der niederländischen Coffeeshop-Politik zu entscheiden».

Für Komplikationen könnte allerdings der Sieg des Rechtspopulisten Geert Wilders bei der Parlamentswahl im November sorgen: Seine PVV hat angekündigt, die Toleranzpolitik zu beenden, die Coffeeshops zu schließen und sich für «drogenfreie Niederlande» einsetzen. Ob strikte Verbote den Niederländern bei ihrem «War on Drugs» genau so wenig helfen werden wie den Vereinigten Staaten, bleibt abzuwarten.

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