Prigoschin-TodDie Ukraine bewegt etwas anderes mehr als Prigoschins Tod
Die Todesnachricht von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin ist auch in der Ukraine ein Thema. Die Reaktionen reichen von Genugtuung bis zur Frage, ob das Ganze nicht Taktik und Prigoschin doch noch am Leben ist.

In der Ukraine zweifelt niemand daran, dass Moskau hinter dem tödlichen Absturz steckt, bei dem Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin und sein Kommandant Dmitri Utkin ums Leben gekommen sein sollen. «Das sind gute und konstruktive Prozesse, die jetzt jeden Tag in Russland stattfinden», schreibt der ukrainische Blogger und Journalist Dmitry Tuzov. «Offenbar wirkt der Fluch, mit dem die russischen Mörder belegt sind. Jetzt bringen sie sich gegenseitig um.»
Eine offizielle Bestätigung, dass Prigoschin unter den zehn Toten des abgestürzten Jets ist, gibt es derzeit nicht.
Entsprechend vermuten auch in der Ukraine einige eine Verschleierungsaktion Prigoschins, um von der Bildfläche zu verschwinden. Immerhin war dieser schon zweimal voreilig für tot erklärt worden: 2019 sollte er beim Absturz eines Frachtflugzeugs in Afrika umgekommen sein. Letztes Jahr wurde sein Tod im Osten der Ukraine vermeldet.
«Nur herumalbern»?
«Ob Prigoschin und Utkin tot sind oder nur herumalbern», schreibt ein Facebook-User, «wird sich anhand der kommenden Entwicklungen in Niger und vielleicht auch in der Zentralafrikanischen Republik zeigen.» Die Wagner-Gruppe ist in gut zwölf Ländern Afrikas aktiv. Ende Juli putschte im Sahel-Staat Niger das Militär – mit Unterstützung der russischen Söldnertruppe.
Alles in allem hat die Nachricht über den Tod des Wagner-Chefs in den ukrainischen Social-Media-Kanälen verhaltenen Jubel ausgelöst. Mit einem Augenzwinkern wird kritisiert, wieso der russische Präsident Putin mit dem Abschuss von Prigoschins Maschine nicht bis heute, dem 24. August, gewartet habe. «Das wäre ein wunderbares Geschenk zum Unabhängigkeitstag gewesen.»
«Signal, dass die brutalen Morde beginnen»
Von offizieller Seite gab es bislang keine Reaktion. «Und sie werden es heute auch nicht kommentieren, nehme ich an», meint eine Journalistenkollegin aus Kiew am Telefon. «Heute ist unser Unabhängigkeitstag und der ist gerade jetzt viel wichtiger als der Tod von irgendjemandem in Russland.»
Tatsächlich ist in Kiew derzeit eine Reihe von Festivitäten im Gang. Der Hauptboulevard Chreschtschatyk ist teils gesperrt, dort sind derzeit eroberte russische Panzer ausgestellt. Es ist der zweite Unabhängigkeitstag im Krieg – das scheint die Menschen mehr zu bewegen als der Tod Prigoschins.
Immerhin äußerte sich Mykhailo Podolyak, Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj: «Eine solch demonstrative Beseitigung, wenn sie denn stattgefunden hat, ist ein direktes Signal an die Eliten, dass die brutalen Morde an den ‹eigenen Leuten› in Russland beginnen.»
«Prigoschin hat eigenes Todesurteil unterschrieben»
Putin habe reichlich Gründe gehabt, Wagner-Chef Prigoschin zu beseitigen, so Podolyak zur «Bild»-Zeitung. Der Aufstand von Prigoschin im Juni habe Putin «wirklich erschreckt».
Zudem habe die Meuterei das Ansehen von Putin und des FSB beschädigt. «Drittens hat Prigoschin in dem Moment, als er 200 Kilometer vor Moskau stehen blieb, sein eigenes Todesurteil unterschrieben.» Putins Ruf sei es, «alle in Angst zu halten», hatte Podolyak der Zeitung schon im Juni gesagt. «Daher ist es für ihn eine persönliche Angelegenheit, Prigoschin so schnell wie möglich zu vernichten.»