Dschungel-Camp 2013Promis mit Kannibalen bedrohen?
Die siebte Dschungelcamp-Staffel bricht alle Rekorde. Warum? Weil wir «den sozialen Vergleich nach unten lieben», sagt Medienwisschaftler Louis Bosshart.

Warum ist das Dschungel-Camp so erfolgreich?
Louis Bosshart (Medienwissenschaftler): In dieser Serie gibt es viele Reize, die vergnügliche Reaktionen auslösen. Es geht um ein Leben unter einfachen Umständen, was sich stark unterscheidet von unseren Leben in angenehmen Verhältnissen. Dann kommt dazu, dass menschliche Wesen unter diesen einfachen Umständen leben. Das bedeutet Zusammenleben, interpersonale Kommunikation in speziellen Situationen. Diese Situationen werden einerseits als naturgegeben vorgegaukelt, andererseits von den Produzenten künstlich aufgepeppt. So gesehen ist das Dschungelcamp eine Mischung von Dokumentarfilm, Talkshow und Gameshow.
Und die Zuschauer?
Das Publikum ist in einer voyeuristischen Rolle und kann sich an dieser normalerweise nicht statthaften Situation erfreuen und letztlich sogar mittels Abstimmung Schicksal spielen. Es geht also um eine Mischung von Realität und Fiktion, wobei sich das Publikum durchaus bewusst ist, dass die Authentizität gespielt ist. Kommt noch dazu, dass Übertreibungen stimulierend wirken und Spannung erzeugen.
Warum fesselt der Anblick sich vor Ekel windender Camper und Lästerschwestern?
Voyeurismus ist bereits genannt worden. Realitätsfernsehen vom Typus Dschungelcamp ist auf Wettbewerb ausgelegt, und Wettbewerb schafft Konflikte. Das gibt für das Publikum zwei Möglichkeiten des Miterlebens. Erstens: sozialer Vergleich. Dabei vergleichen sich Individuen mit Personen, die sich in den Medien öffentlich einer Konkurrenz stellen. Dieser Vergleich kann sich verbunden mit Staunen und Identifikation nach oben richten, oder mit Schadenfreude und Verachtung nach unten: Was sind das doch für ...
... Dummköpfe?
Zum Beispiel. Eine zweite Möglichkeit ist die sogenannte parasoziale Interaktion. Dabei bauen Zuschauer und Zuschauerinnen eine Quasi-Beziehung zu den Medien-Personen auf. Diese Quasi-Beziehung ist mit wenig Aufwand zu bewerkstelligen und kann leicht wieder abgebaut werden. Eine weitere Möglichkeit des gefesselt seins wäre eine Flucht aus dem Alltag in eine Parallelwelt. Gehen wir davon aus, dass wir in wenig bedrohlichen oder unangenehmen und ekligen Verhältnissen leben, kann ein Abtauchen in eine ganz andere Welt Vergnügen bereiten.
Warum läuft Trash-TV vor allem in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen so gut?
Jüngere Leute sind sich von ihrem Medienkonsum her starke Reize gewöhnt und suchen nach immer stärkeren «sensations» (Erlebnissen). Das Dschungelcamp bietet zudem Stoff,
der unter den Leuten Gesprächsstoff bietet. Man kann sich über etwas austauschen, das allen bekannt ist. Junge Leute suchen auch mehr «Thrill» als ältere.
Ist ein Ende solcher Sendungen in Sicht? Das Dschungelcamp läuft aktuell in der siebten Staffel ...
Zu Unterhaltung gehört wesensmäßig Abwechslung, Innovation. So gesehen läuft sich Reality-TV einmal zu Tode, es sei denn, es werden noch stärkere Reize erdacht. Zurzeit wird versucht, weitere Wildnisfaktoren für die Zivilisation fruchtbar zu machen.
Man stelle sich vor, Prominente werden von Menschenfressern bedroht. Wird eine solche Situation Realitäts-TV, dann wird einfach das Ende der Dschungelcamp-Serie herausgeschoben. Für Reality-TV spricht natürlich noch der Umstand, dass es kostengünstig produziert werden kann. Aber eben, selbst der gute Dr. House sieht sein Ende nahen.
(L'essentiel Online/Bettina Bendiner)