Facebook-Pranger – Ramadan-Brecher trinken einen auf den Imam

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Facebook-PrangerRamadan-Brecher trinken einen auf den Imam

Der salafistische Prediger Adel Almi hat zu Beginn des Ramadans Muslime aufgerufen, Fastenbrecher an den Internetpranger zu stellen. Junge Tunesier reagieren

Eine Frau Anfang zwanzig beißt genüsslich in einen Apfel, ein Mann raucht eine Zigarette am Strand, ein junges Paar prostet sich mit Wein und Bier zu. Diese für uns so harmlos wirkenden Bilder kommen in Tunesien einem Tabubruch gleich, wurden sie doch während des Ramadan aufgenommen. Während des Fastenmonats dürfen gläubige Muslime von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang nicht essen, trinken, rauchen und Geschlechtsverkehr haben.

Wieso also diese Provokation der jungen Tunesier? Sie reagieren auf die Aufforderung des Imam Adel Almi, Muslime, die den Ramadan brechen, zu fotografieren und auf Facebook und Twitter öffentlich an den Pranger zu stellen. Nun machen sie sich genau die Medien zu eigen, die Iman Almi für seine Zwecke nutzen wollte.
Die Facebook-Seite «Fotos, die während des Ramadan aufgenommen werden, für Adel Almi» wurde am 9. Juli ins Leben gerufen, und zählte bereits einen Tag später über 6'000 Fans. Bis dato haben rund 12'400 Leute die Seite mit «Gefällt mir» markiert und mehr als 100 Fotos von sich beim Essen, Trinken oder Rauchen gepostet. Ein Großteil der Bilder stammt aus Tunesien, aber auch Muslime aus Belgien, Deutschland, Marokko und Algerien brechen in sozialen Medien öffentlich das Fasten.

Ich faste nicht

Auf Twitter dient der Hashtag #fater (Deutsch für:«ich faste nicht») als Anti-Pranger. Über den Kurznachrichtendienst werden Standorte von Restaurants und Cafés verbreitet, die während des Ramadan geöffnet haben.
Denn anders als unter dem ersten Präsidenten der unabhängigen Republik Tunesien Habib Bourguiba, der Mitte der siebziger Jahre während der Fastenzeit alle Lokale im Land öffnen ließ, ist es für Tunesier außerhalb der Touristenzentren schwer, sich zu verpflegen –obwohl öffentliches Essen und Trinken in dem Land eigentlich nicht unter Strafe steht. Eine interaktive Karte hilft bei der Suche nach geöffneten Restaurants.

«Adel Almi hat nichts zu melden.»

Öl ins Feuer gießt auch die Bloggerin Lina Ben Mhenni, die sich der Prostestbewegung mit einem Bild von sich beim Kaffeetrinken und einer Verlinkung auf ihrem Blog «A Tunesian Girl» anschloss. Ben Mhenni gilt als Stimme des tunesischen Aufstands, da sie während der Revolution über ihren Blog unzensiert über die Zustände im Land berichtete. «A Tunesian Girl» ist auch heute noch ein wichtiges Informationsforum der Opposition. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagt Bloggerin Ben Mhenni zum Aufruf des Imam:«Niemand hat das Recht, eine Drohung dieser Art auszusprechen. Ob man den Ramadan begeht oder nicht, ist eine persönliche Entscheidung jedes Tunesiers.»

(L'essentiel Online/Berit-Silja Gründlers)

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