VoodooSchlechter Ruf und unheimlicher Geistertanz
Trommeln und Tänze, Schadzauber und geköpfte Hühner: Weltweit hat die geheimnisvolle Voodoo-Religion etwa 60 Millionen Anhänger.

Beim Thema Voodoo denken viele Menschen an bösen Zauber, schwarze Magie und kleine Puppen, mit denen man ungeliebten Mitmenschen Schmerzen und anderen Schaden zufügen kann. Kurz: Sie halten es für gefährlich, teuflisch und fürchten, dagegen machtlos zu sein. Schuld daran ist – wie so oft – Hollywood. Denn die Filmindustrie zeigt mit Vorliebe die dunkle Seite des Kults. Und das in übertriebener Form, man denke nur an den unheimlichen Gegenspieler von James Bond in «Leben und sterben lassen» (1973, siehe Video unten), den unsterblichen Voodoopriester Baron Samedi.
Das Problem solcher – zugegeben: nicht unspannenden – Darstellungen: «Von der Realität enthalten diese Gruselstreifen nur ein kleines Fünkchen Wahrheit», so Klaus Beydemüller im Buch «Fa-Orakel – Botschaften der Voodoo-Götter deuten». Doch das wissen die wenigsten. Hier brennendsten Fragen rund um Voodoo.
Was ist Voodoo?
Voodoo ist eine spirituelle Praxis, die sich ursprünglich im westafrikanischen Benin entwickelte und für Recht und Ordnung innerhalb einer Kultur sorgen soll. Der Begriff leitet sich aus einem Wort des dort beheimateten Volkes Fon für «Geist» und «Gott» ab. Die Anhänger glauben unter anderem an die Wiedergeburt. Dem Voodoo-Glauben zufolge lebt der Mensch insgesamt achtmal als Mann und achtmal als Frau. Das, weil es das Ziel des Lebens ist, zu lernen. Nach diesem Ablauf wird «jeder Mensch, ohne Ausnahme, zu Gott gerufen und beginnt eine neue Existenz, in der er sich um das Wohl aller Lebewesen im Universum kümmert.»
In welchen Ländern wird Voodoo heute praktiziert?
Durch die Sklaverei im 16. Jahrhundert breitete sich der Voodoo-Kult auch auf andere Länder aus. Heute wird Voodoo hauptsächlich in den afrikanischen Staaten Benin, Ghana und Togo sowie auf Haiti praktiziert, wo es bis 1840 sogar Staatsreligion war. Auch in den USA (vor allem im Bundesstaat Louisiana) und Kanada gibt es eine verhältnismäßig große Voodoo-Szene.
An wen glauben Voodoo-Anhänger?
An höchster Stelle steht für sie der Bondyè («Guter Gott»). Dieser ist aber so gewaltig, dass sich die Gläubigen nicht direkt an ihn wenden können. Deshalb gibt es die Loa, göttliche Geistwesen, die als Vermittler fungieren und Dinge verändern können.
Man unterscheidet zwischen drei Gruppen von Loas: den wohltätigen (Rada), den zerstörerischen (Petro) und den Ghede (Fruchtbarkeits- und Totengeister). Um deren Gunst zu erobern, müssen die Anhänger ihnen in speziellen Voodoo-Ritualen Opfergaben (meist Früchte, Blumen, Genussmittel und tierische Opfer) bringen, wobei jeder Loa ganz eigene Präferenzen hat. Als größtes Opfer gilt die Ziege, sie ist besonders dringenden Anliegen vorbehalten.
Ebenfalls eine große Rolle bei der Anrufung der göttlichen Stellvertreter spielen laut Voodoo-Forscher Alfred Métraux Tänze: Sie sind «so eng mit dem Kult verbunden, dass man den Voodoo zu den getanzten Religionen zählen kann. Trommeln und Tänze ziehen die Geister an. Musik und Tanz nehmen die Geister so gefangen, weil sie selbst Tänzer sind und sich von der übernatürlichen Macht des Rhythmus hinreißen lassen.»
Was könnte es mit geköpften Hühnern auf sich haben?
Beim Köpfen fließt Blut. Gemäß dem Voodoo-Glauben überträgt sich durch das Vergießen von Vogelblut die Lebensenergie des Tieres auf die Gottheit. So wird sie auf den Köpfenden aufmerksam und kann sich um sein Anliegen kümmern.
Was halten Vodoo-Anhänger von anderen Glaubensrichtungen?
An Voodoo zu glauben, heißt nicht, andere Religionen abzulehnen, wie das Beispiel Haiti zeigt: Laut Reiseführern sind dort «80 Prozent der Haitianer katholisch, 20 Prozent protestantisch und 100 Prozent praktizieren Voodoo.» Wegen der christlichen Einflüsse unterscheidet sich der dort gelebte Voodoo jedoch von seinem afrikanischen Ursprung. Viele der Einwohner Haitis bringen katholische Traditionen in ihre Riten ein. In Afrika hingegen fließen Elemente des Islam in den Voodoo ein.
Ist Voodoo eine offizielle Religion?
Das ist von Land zu Land verschieden. In Benin beispielsweise ist Voodoo zusammen mit dem Christentum und dem Islam offiziell anerkannt. Der 10. Januar jedes Jahres ist seit 1996 Voodoo-Feiertag. Die größten Feierlichkeiten finden in der Hafenstadt Ouidah statt, die als Geburtsort des Voodoo gilt. Seit 2003 gilt Voodoo auch in Haiti als offizielle Religion. Seither haben Voodoo-Geistliche dieselben Rechte wie ihre katholischen Kollegen: Sie dürfen Ehen schließen, Taufen durchführen und Begräbnisse leiten. In der westlichen Welt – besonders in Europa – wird Voodoo vor allem privat praktiziert. Weltweit hat Voodoo etwa 60 Millionen Anhänger. Auch in der Schweiz soll es Zehntausende Gläubige geben. Das stört niemanden, solange sie sich an die hiesigen Gesetze halten. Tieropfer sind hierzulande untersagt. Bei Missbrauch drohen bis zu drei Jahre Haft.
Was hat es mit den Voodoo-Puppen auf sich?
Ursprünglich hatten die Puppen eine positive Bedeutung. Sie sind aus der Not heraus entstanden. Denn die verschleppten afrikanischen Sklaven durften in Gefangenschaft ihren Glauben nicht praktizieren. Deshalb fertigten sie Puppen an, die sie unbemerkt für ihre Rituale verwenden konnten.
Warum hat Voodoo zum Teil einen schlechten Ruf?
Die Voodoo-Religion wurde in der Vergangenheit vorsätzlich für religionsfremde Zwecke missbraucht, insbesondere als Mittel zur Einschüchterung und Bedrohung. So gab sich beispielsweise Haitis Diktator François «Papa Doc» Duvalier zwischen 1957 und 1971 als Baron Samedi (ein Todesgeist im Voodoo) aus, um seine Gegner einzuschüchtern und seine politische Macht abzusichern.
Tatsächlich kann es vorkommen, dass Voodoo-Priester ihre vermeintlichen Kräfte für Schadzauber einsetzen. Sie werden Bocore genannt. Diejenigen, die solche Praktiken ablehnen, heißen Houngan. Bei Priesterinnen wird nicht zwischen gut und böse unterschieden: Sie werden immer als Mambos bezeichnet.
(L'essentiel/F. Riebeling)