Harris vs. PenceSo benotet der USA-Experte die zwei Kandidaten
Die einzige TV-Duell der Vize-Kandidaten vor der US-Wahl verlief im Gegensatz zur ersten Debatte mehr als geordnet. USA-Experte Thomas Jäger benotet für uns die Kandidaten.

Die einzige TV-Debatte der Vize-Kandidaten vor der US-Präsidentenwahl verlief viel geordneter als das Duell von Trump und Herausforderer Joe Biden, das eine Woche zuvor im Chaos versunken war. Im Anschluss an diese Debatte hatte der Politologe Thomas Jäger von der Universität Köln Trump und Biden durchwachsene Noten vergeben. Wie beurteilt er die Debatte von heute Nacht?
«Das war nur eine halb gute Debatte», sagt Politologe Thomas Jäger. «Immerhin: Im Gegensatz zum letzten Mal suchte man jetzt nicht verzweifelt nach Inhalt.»
WEGDUCKEN
Doch obgleich vieles angesprochen worden sei: «Sowohl Harris als auch Pence haben sich vor wichtigen Themen gedrückt – und die Moderatorin Susan Page ließ das zu.» So habe es von ihnen keine Antworten gegeben, als es um das Alter oder die Gesundheit ihrer Chefs ging, US-Präsident Donald Trump und der demokratische Herausforderer Joe Biden.
Auch einzeln wussten sich die beiden Kandidaten von bestimmten Themen wegzuducken: «Harris verweigerte eine konkrete Antwort, als es um das Vorhaben der Demokraten ging, die Plätze am Obersten Gerichtshof auszubauen, Pence hingegen kniff bei der Frage, ob es einen geordneten Machtwechsel geben werde», so Jäger.
AUFTRETEN
«Harris schoss fast mehr gegen den Mann und gegen die Republikaner, als es Pence tat. Sie legte bei Themen wie Rassismus, White Supremacy oder der Virus-Krise den Finger in die Wunde und drängt Pence in eine Ecke.» Pence wiederum habe «die vergifteten Themen» weggelassen, so etwa die Angriffe auf das Geschäftsgebaren von Hunter Biden, dem Sohn des demokratischen Vizekandidaten. «Pence machte statt Biden klein Trump groß. Die persönlichen Angriffe überlässt er dem Chef.»
NOTE 4 FÜR BEIDE
Welche Note gibt der Politologe wem? «Alle beide verdienen meiner Meinung nach nur eine mittelmäßige Note für diese Debatte. Man merkte, dass das Hauptziel beider Seiten war: Nur nichts falsch machen!»
Dies hat Jäger zufolge nicht nur mit der chaotischen Präsidentschaftskandidaten-Debatte von letzter Woche zu tun. «Klar, man wollte keine erneuten medialen Aufreger provozieren. Aber Pence setzte keine neuen Themen, weil Donald Trump dies gerne selbst tut. Und Harris tat dies ebenso wenig, denn für die Demokraten gibt es derzeit im Wahlkampf nur ein Thema: die Corona-Krise.»
WIRKUNG
Letztlich sei die Strategie beider Seiten für die Debatte aufgegangen, so Jäger. «Es war eine höfliche, vorsichtige Debatte. Sie griff zwar eine Reihe kontroverser Themen wie Abtreibung, Rassismus oder Fracking auf – doch jede Seite sagte dabei nur, was ihre Anhänger hören wollten. Ob Harris und Pence so neue Wähler überzeugen konnten, ist fraglich.»
(L'essentiel/Ann Guenter)