Hoffenheim-CoachSo traf Nagelsmann die Bayern mitten ins Herz
Hoffenheims Jungtrainer Julian Nagelsmann entzaubert Bayern München mit einem taktischen Masterplan.

Die Bayern sind wie Vampire: Sie saugen ihren Gegnern von Runde zu Runde drei Punkte ab. Gegen Hoffenheim aber bissen sich die Bayern die Zähne aus. «Glückwunsch an Hoffenheim. Wir waren etwas überrascht von der Spielweise der TSG. Hoffenheim hat sehr intensiv gespielt», sagte Bayern-Trainer Carlo Ancelotti nach dem 0:1 und gratulierte Julian Nagelsmann.
Der 29-jährige Erfolgscoach feierte mit Hoffenheim den ersten Sieg im 18. Spiel gegen den Rekordmeister und steht nun in der Tabelle mit nur einem Punkt Rückstand auf die Überflieger aus Leipzig auf Rang drei. «Ich habe Mut gefordert und habe gesagt, wenn wir mutig sind, wird das auch nicht bestraft», erklärte Nagelsmann die Heldentat seiner Truppe.
Die Schwächen der Bayern ausnutzen
So wagemutig die Worte von Nagelsmann auch waren, wirklich überraschend kam die Kampfparole nicht. Hoffenheim war nicht das erste Team, das gegen die Bayern unerschrocken antrat. Wie also schaffte es der jüngste Trainer der Bundesliga, den ältesten Coach der Liga – notabene ein dreifacher Gewinner der Champions League – aus dem Konzept zu bringen?
Gegenüber dem TV-Sender Sky ließ Nagelsmann vor dem Spiel den Ansatz seines taktischen Konzepts durchblicken: «Die Bayern haben in gewissen Momenten Schwächen. Wenn sie Druck bekommen, machen sie auch mal Fehler. Wir versuchen, hoch zu verteidigen, wollen uns nicht hinten reindrücken lassen, sondern mutig sein.»
Zuber hält Robben in Schach
Konkret sah das auf dem Feld so aus: Hoffenheim spielte in einer 3-5-2-Formation mit Jeremy Toljan und Steven Zuber auf den Außenpositionen. Der Schweizer Offensivmann war einer der Schlüsselfiguren im Schlachtplan von Nagelsmann. Zuber war der erste Störenfried im Dunstkreis von Arjen Robben. Der Bayern-Kapitän musste für seine Vorstöße in die Mitte ausweichen, wo er von mehreren Hoffenheimern umzingelt wurde.
Die engen Räume im Mittelfeld führten bei den Bayern vor allem in der ersten Halbzeit zu leichtfertigen Ballverlusten. Nach der Balleroberung agierte Hoffenheim mit blitzschnellen Gegenstößen in die Spitze – wo die 1899-Akteure ihre Schnelligkeit ausspielen konnten. So markierte Andrej Kramaric in der 21. Minute auch das 1:0.
Statistisch besser als die Bayern
Die Führung war in diesem Moment mehr als verdient und auch bis zur Halbzeit glänzte Hoffenheim mit seinem Pressing. Beeindruckend war zudem die Statistik bis zur Pause zugunsten des Heimteams: 11:8 Torschüsse, 61 Kilometer zu 56 Kilometer Laufleistung und 150 zu 117 Sprints. Fast ausgeglichen war hingegen der Prozentsatz beim Ballbesitz mit 48 zu 52 zugunsten der Bayern.
Die Gäste erhöhten den Druck nach der Halbzeit um ein Vielfaches und drängten auf den Ausgleich, während Hoffenheim sich vor allem gegen Ende des Spiels fast nur noch darauf beschränkte, den Strafraum zu verteidigen. Doch die Dominanz der Bayern blieb bis zum Ende ohne Erfolg – auch dank Keeper Oliver Baumann, der seinem Coach den dritten Sieg in Serie sicherte.
Nagelsmann – ein Fan von Alain Sutter
Für Nagelsmann ist der Coup gegen die Bayern ein weiteres Empfehlungsschreiben in seinem kurzen Palmarès. Im vergangenen Jahr löste der U23-Coach Cheftrainer Huub Stevens ab und bewahrte Hoffenheim nicht nur vor dem Abstieg, sondern führte die TSG diese Saison auf einen Champions-League-Platz. Der rasante Aufstieg weckt nun natürlich auch Begehrlichkeiten beim Gegner.
Für Uli Hoeneß ist es nur eine Frage der Zeit, bis Nagelsmann bei den Bayern ein Thema wird. «Einer der Trainer, die irgendwann einmal für Bayern infrage kommen», hatte der Bayern-Präsident unlängst verkündet. Und auch Nagelsmann selbst, der früher Bayern-Fan war und Alain Sutter nacheiferte, ist nicht abgeneigt. «Wenn die Situation passt, dann kann man sicherlich darüber nachdenken.»
(L'essentiel/sr)