Hinter Gittern – Uli Borowka liest «Volle Pulle» im Knast

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Hinter GitternUli Borowka liest «Volle Pulle» im Knast

Er war ein beinharter Verteidiger, aber der Alkohol war stärker als Uli Borowka. Nach seinem Entzug hat der ehemalige Werder-Profi ein Buch geschrieben und will jetzt auch Häftlingen Mut machen.

Uli Borowka beeindruckt seine Zuhörer.

Uli Borowka beeindruckt seine Zuhörer.

DPA

Es fehlte nicht viel, dann wäre Uli Borowka selbst im Knast gelandet. «Ich habe auch eine Akte», sagt der frühere Bundesligaprofi und trockene Alkoholiker. Im Suff sei er oft nicht Herr seiner Sinne gewesen, provozierte Schlägereien, fuhr seinen Porsche zu Schrott und verprügelte seine Frau. «Ich habe viel Mist gebaut und hatte Glück, dass ich nicht eingesperrt wurde.»

Seinen rund 50 Zuhörern ist es anders ergangen: Sie sind Häftlinge der Jugendstrafanstalt Berlin, haben schwere Raube oder gefährliche Körperverletzungen begangen. Aufmerksam hören sie zu, wie Borowka am Dienstagabend aus seinem Buch «Volle Pulle. Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker» vorliest.

Als Fußballer viel erreicht

Schon optisch hebt sich der 50-Jährige mit dem Stoppelbart und den tiefen Falten um den Mund von seinen Zuschauern ab. Er, der ehemalige Star von Werder Bremen erscheint im grünen Hemd, sie, die Häftlinge im obligatorisch roten Freizeit-Outfit des Gefängnisses. Borowka hat die Kurve gekriegt, aber erst, als er alles verloren hatte: seine Autos, seinen Job und seine Familie.

Als Spieler hatte der gebürtige Sauerländer trotz seiner Alkoholsucht viel erreicht, für Borussia Mönchengladbach und Werder Bremen insgesamt 388 Bundesligaspiele absolviert und als Abwehrspieler 19 Tore geschossen. Mit Bremen holte Borowka zudem je zweimal die Meisterschale und den DFB-Pokal und gewann 1992 den Europapokal der Pokalsieger.

Maradona schenkte ihm sein Trikot

Teamkollegen und Gegner nannten ihn ehrfürchtig «Eisenfuß» oder «Axt», denn der Verteidiger war für sein rüdes Einsteigen bekannt. «Klinsmann lief immer ganz schnell weg», erzählt Borowka und grinst. «Nur Ulf Kirsten, der hat zurückgegrätscht.»

Gegen Diego Maradona gab Borowka 1988 sein Debüt in der Nationalmannschaft, für die er insgesamt sechsmal auflief. Auch wenn er den argentinischen Superstar im Spiel auf Schritt und Tritt mit beinharter Härte verfolgte, schenkte dieser ihm zum Abschied sein Trikot. Ein Raunen geht durch den Saal.

Auch hier im Knast braucht der gelernte Maschinenschlosser nicht viel, um sich Respekt zu verschaffen. Wenn es im Saal unruhig wird, hebt er kurz die Stimme oder schaut einfach nur mit seinem durchdringenden Blick in die Menge - schon kehrt Ruhe ein.

Die Zuhörer schöpfen Hoffnung

Im Zweikampf mit dem Alkohol war Borowka lange der Verlierer. «Immer wenn ich auf dem Platz gewonnen habe, wollte ich mich danach belohnen. Und bei Niederlagen habe ich aus Frust gesoffen», erzählt er. Zwar konnte er seine Sucht vor der Öffentlichkeit lange geheim halten, doch privat drehte sich irgendwann alles nur noch um den Stoff. Eine Kiste Bier und jeweils eine Flasche Whisky, Wodka und Magenbitter - das war Borowkas Tagespensum zum Schluss. Die Zuhörer staunen und lachen. Seine erste Frau und die beiden Kinder hatten ihn inzwischen verlassen, meiden bis heute den Kontakt, sagt er. «Dass meine Tochter geheiratet hat, habe ich nur über Facebook erfahren.» Jetzt schweigen die jungen Männer betreten.

Freunde besorgten ihm schließlich einen Platz in einer Entzugsklinik, in der er 2000 nach viermonatiger Therapie den Alkohol doch noch besiegte. «Das war dieser unbedingte Wille, der mich schon als Fußballer ausgezeichnet hat», sagt Borowka. Inzwischen ist er zum zweiten Mal verheiratet und zum dritten Mal Vater geworden.

Kevin (Name geändert), ein Häftling aus der ersten Reihe, interessiert sich eigentlich nicht für Fußball, aber Borowkas Geschichte hat ihn beeindruckt. «Es macht schon Hoffnung so etwas von jemandem zu hören, der ganz unten war», sagt der 20-Jährige, der in sieben Monaten frei kommt und dann eine Ausbildung zum Koch machen will. «Ich glaube, ich schaff' das auch.»

(L’essentiel Online / dpa)

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