«Accidental Racist»«Versehentlicher Rassist» ist zum Fremdschämen
Eigentlich wollten Rap-Legende LL Cool J und Country-Superstar Brad Paisley einen tiefgründigen Song gegen Rassismus schreiben. Nun stehen sie vor einem Scherbenhaufen.

Seit Veröffentlichung am Abend des 8. Aprils 2013 kennt die Blogosphäre fast nur ein Thema: Der neue Song von Brad Paisley «Accidental Racist» vom brandneuen Album «Wheelhouse». Beziehungsweise: die groteske Scheußlichkeit jenes Songs. «Here's Brad Paisley's Horrible New Song» titelt das Frauenmagazin «The Hairpin». «Beim neuen Song von Brad Paisley und LL Cool J werden Sie sich so was von fremdschämen», so die «Huffington Post». «‹Accidental Racist› ist ein echter und grauenhafter Song von Brad Paisley und LL Cool J», entschuldigt sich der renommierte Blog «Gawker».
Lachen oder heulen?
Auch auf Twitter zeigt sich das Publikum erstaunt und verstört: «Habe soeben den ‹Accidental Racist›-Song gehört. Wünsche mir, ich hätte nicht.» Oder: «Möglicherweise der schlechteste Song aller Zeiten. Was soll das eigentlich?» Oder: «Ich weiss gar nicht, ob ich lachen oder heulen soll.» Oder: «‹Accidental Racist› hat Weisse und Schwarze zusammen gebracht - um gemeinsam auf den Song ‹Accidental Racist› zu sch*****n.»
Dabei wollten Paisley und LL Cool J bloss Gutes tun. Der Song beginnt mit Paisley, der darübert sinniert, wie er mit einem Südstaaten-Flaggen-T-Shirt in einer Starbucks-Filiale scheel angeschaut wird. Dabei will er damit nicht seine Zustimmung für Sklaverei ausdrücken, sondern seine Liebe für die Southern-Rock-Band Lynyrd Skynyrd. Hach, der arme, missverstandene Kerl!
Auch der Refrain hat es in sich:
I’m just a white man
Coming to you from the Southland
Trying to understand what it’s like not to be
I’m proud of where I’m from
But not everything we’ve done ...
Blöd nur, dass Paisley aus West Virginia stammt, dem Staat, der von den 41 Counties des Bundesstaates Virginia gegründet wurde, die sich nicht auf die Seite der Südstaaten schlagen wollten. Somit ist seine Mea Culpa etwas relativ. Item. Jedenfalls säuselt der Song in diesem Sinne weiter bis LL Cool J seine Rap-Einlage zum Besten gibt:
Dear Mr. White Man, I wish you understood
What the world is really like when you’re living in the hood
Just because my pants are saggin’ doesn’t mean I’m up to no good ...
Kette gegen Kette
Nun, es ist keineswegs so, dass die Message von «Accidental Racist» verurteilungswürdig wäre. Der Song ist durch und durch gut gemeint. Es ist vielmehr der sülzige Gutmensch-Pathos, kombiniert mit lächerlichen Metaphern und Gleichnissen, der das Publikum vor den Kopf stosst: «Wenn du meine Goldketten nicht verurteilst, werde ich die Eisenketten vergessen», rappt LL Cool J. Autsch.
Flugs hat man auf die universellen Verriss reagiert und den Song möglichst flächendeckend vom Netz genommen. Derweil ließ sich Brad Paisley auf «Entertainment Weekly» interviewen, um ein paar Sachen klarzustellen. Er und LL haben bloß eine Diskussion starten wollen, so Brad. Sie behaupten nicht, die Antworten auf die Fragen zu kennen. Eine Diskussion zu starten, ist zweifelsohne gelungen. Nur ist das Thema nicht der monierte Rassismus, sondern das mangelhafte Songwriting.
(L'essentiel Online/obi)