Warschau: Wagner-Söldner rücken vor – «Putin bedroht die Souveränität Polens»

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WarschauWagner-Söldner rücken vor – «Putin bedroht die Souveränität Polens»

In Polen und Litauen sorgt man sich um Bewegungen russischer Wagner-Söldner in Belarus. Es wird erwogen, die Grenzen zu dem Nachbarland zu schließen. Ein Osteuropa-Experte erwartet unruhige Wochen. 

Ann Guenter
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Ann Guenter
Polen meldet: 100 Wagner-Söldner bewegen sich in Belarus auf Polens Grenze zu (Dateibild vom 24. Juni: Wagner-Söldner ziehen sich aus der zwischenzeitlich besetzten russischen Stadt Rostow-am-Don zurück).
Sie sollen unweit von Hrodna/Grudno sein, nahe des strategisch wichtigen Gebiets um die Suwalki-Lücke. Dem Google-Routenplaner zufolge ist das eine Distanz von gut zwei Stunden Autofahrt.  
Hrodna/Grudno im Westen von Belarus liegt fünf Autostunden entfernt von Tsel im Zentrum von Belarus. Hier wachsen, wie Satellitenbilder zeigen, …
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Polen meldet: 100 Wagner-Söldner bewegen sich in Belarus auf Polens Grenze zu (Dateibild vom 24. Juni: Wagner-Söldner ziehen sich aus der zwischenzeitlich besetzten russischen Stadt Rostow-am-Don zurück).

REUTERS

Aus Angst vor Provokationen durch russische Wagner-Söldner in Belarus erwägen Polen und Litauen, ihre Grenzen zu dem Nachbarland zu schließen. Dies, weil 100 Söldner der russischen Wagner-Gruppe in Belarus Warschau zufolge näher an die Grenze zu Polen herangerückt sind – unweit von Grudno/Hrodna in Belarus, nahe eines strategisch wichtigen Gebiets bei der Suwalki-Lücke.

Dieser Korridor liegt auf polnischem und litauischem Gebiet zwischen Belarus und der russischen Ostsee-Enklave Kaliningrad. Im Ernstfall könnte Russland mit dessen Einnahme die Baltenstaaten vom restlichen Nato-Gebiet abschneiden.

Polnische Truppenverlegungen

«Diese Überlegungen (einer Grenzschliessung) sind real», sagte Litauens Vize-Innenminister Arnoldas Abramavicius. Polen hat wegen der Ankunft der russischen Söldner in Belarus auch schon Truppen an die Grenze zu Belarus verlegt. Das Verteidigungsministerium wird nach eigenen Angaben neue Truppen in den Osten des Landes verlegen. Vertreter der polnischen Armee sprachen mit Blick auf die Wagner-Söldner von einer russischen Propagandaaktion, die Unruhe stiften solle.

«Jetzt wird die Lage noch gefährlicher», sagte der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bei einem Besuch einer Waffenfabrik in Gliwice, in der von der Ukraine genutzte Leopard-Panzer repariert werden. Dies sei ein Schritt in Richtung eines weiteren hybriden Angriffs auf polnisches Gebiet.

Migranten als Waffe der hybriden Kriegsführung

Damit sprach Morawiecki die seit Jahren angespannte Lage an der polnisch-belarussischen Grenze an: Flüchtlinge und Migranten aus dem Nahen Osten und Afrika versuchen, von Belarus nach Polen und Litauen und damit in die EU zu gelangen.

Russland und Belarus werden beschuldigt, die Migration als Form der hybriden Kriegsführung zu nutzen, um Polen und andere EU-Staaten zu destabilisieren. Warschau reagierte mit dem Bau einer hohen Grenzbefestigung. Den illegalen Grenzübertritten von Belarus her tat dies aber keinen Abbruch.

«Wladimir Putin bedroht die Souveränität Polens»

«Putins Vorgehen gegenüber Polen gleicht dem, was der Kremlchef auch vor seinem Überfall auf die Ukraine tat», twitterte Sergej Sumlenny. «Wladimir Putin bedroht die Souveränität Polens», hält der Osteuropa-Experte und ehemalige Direktor der Heinrich-Böll-Stiftung in Kiew, weiter fest.

In den kommenden Wochen ist demnach mit einer «Eskalation der Rhetorik» und «verrückten Drohungen im russischen Fernsehen» zu rechnen – «nur um Lärm und uns Angst zu machen».

Dazu erwartet Sumlenny aber auch «einige echte Infiltrationsversuche, Versuche eines Cyberangriffs auf Polen und die baltischen Staaten sowie Flüchtlingswellen». Selbst militärische Aktionen gegen Polen schließt er nicht aus. 

Welche Kampfkraft hat Wagner noch?

Wie groß die Bedrohung durch die Wagner-Söldner von Belarus aus tatsächlich ist, ist allerdings fraglich. Der tägliche Bericht des Verteidigungsministeriums in London zum Krieg in der Ukraine hält am Sonntag fest: «Aufnahmen zeigen, dass seit Mitte Juli 2023 Hunderte von Fahrzeugen an der zuvor meist leeren Einrichtung eingetroffen sind.»

Bei den sichtbaren Fahrzeugen handle es sich um Lastwagen und Kleinbusse, gepanzerte Fahrzeuge habe es nur wenige gegeben. Allerdings halten die Briten auch fest: Es ist unklar, was mit dem schweren Gerät geschehen ist, das Wagner in der Ukraine verwendete und im Juni dem russischen Militär übergeben haben soll. 

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