Enorme KostenWarum sich der Euro-Austritt nicht rechnet
Egal, ob ein starker oder ein schwacher Staat den Euro aufgibt: Ohne die Gemeinschaftswährung zahlen alle drauf. Das belegt eine neue Studie der Großbank UBS.

Die Frage, der eine neue UBS-Studie nachgeht, ist denkbar simpel: Wie können Investoren Geld verdienen, wenn sie nicht daran glauben, dass der Euro-Raum zusammenhält? «Die simple Antwort ist, dass sie es nicht können», heißt es in «Global Economic Perspectives: Breaking up the Euro»: Die Schweizer Analyse macht deutlich, dass alle verlieren, sobald ein starker oder ein schwacher Staat die Währungsunion verlässt.
«Der Euro sollte nicht existieren»
Die UBS-Experten kommen zu diesem Ergebnis, obwohl sie die Gemeinschaftswährung quasi für eine Fehlgeburt halten. «Der Euro sollte nicht existieren», beginnen sie ihre Studie und verweisen darauf, dass die angeschlossenen Volkswirtschaften entweder nicht homogen oder nicht flexibel genug sind. Außerdem fehlt ein gemeinsamer fiskalpolitischer Ansatz: Steuerung ist höchstens noch über Migrations-, Lohn- oder Preispolitik möglich.
Die Krise in Griechenland führt deshalb zu Konsequenzen: Die einen Europapolitiker fordern entweder (wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel unlängst im Reichstag) eine Verschärfung der Finanz-Spielregeln oder gleich den Ausschluss der finanzschwachen Südeuropäer aus der Eurozone. Andere «Experten» wie Hans-Olaf Henkel regen einen Austritt starker Euroländer an: Der frühere deutsche Arbeitgeberpräsident hatte eine neue Euro-Gruppe mit Deutschland, Österreich, Finnland und den Niederlanden im Sinn gehabt.
Wer den Euro loswerden will, muss die EU verlassen
Das Problem dabei ist, dass es kein Euro-Austrittszenario gibt – egal ob ein Staat gehen will oder «gegangen wird». Wohl um ihren politischen Willen zum Zusammenhalt zu bekunden haben die Euro-Väter auf eine Ausstiegsklausel verzichtet: «Das Ergebnis ist Hotel California», schreibt die UBS mit dem Eagles-Lied im Ohr. «You can check out … but you can never leave.» Gleich mehrere europäische Vertragspassagen nennen die Annahme des Euros «unumkehrbar».
Während die Gemeinschaftswährung also nicht über Bord geworfen werden kann, besteht aber theoretisch die Möglichkeit, aus der EU auszutreten - gemäß Artikel 50 der Verträge von Lissabon. Wie so ein Austritt vonstattenginge, steht dort aber nicht: Das Prozedere müsste der EU-Flüchtling also erst mit den anderen verhandeln – egal ob ein schwacher Staat verstoßen wird oder ein starker Staat selbst den Hut nimmt.
Szenario 1: Schwacher Staat sagt Ade
Will ein schwacher Staat wie etwa Griechenland aus eigenem Antrieb den Euro aufgeben, stehen erst Verhandlungen über einen Austritt aus der EU an. Dabei müssen alle 27 EU-Mitglieder einstimmig zustimmen. Hinzu kommt, dass Änderungen europäischer Verträge in einigen Staaten vom Volk per Referendum abgesegnet werden müssen. Noch unwahrscheinlicher ist der Rauswurf eines Staates, der eine Änderung der Maastricht-Verträge voraussetzen würde: Hier müssten ebenfalls alle 27 Staaten zustimmen – also auch derjenige, dem die Tür gezeigt werden soll.
Sollte ein schwacher Staat aber dennoch die Reißleine ziehen, wird es für ihn teuer. Wenn der Spalter-Staat eine neue Währung einführt, die wir hier «Freudo» nennen wollen, behält er seine Altschulden in Euro. Will er diese reduzieren, müsste der Staat im Außenhandel viele Euro einnehmen. Konvertiert er seine Altschulden in seinen neuen «Freudo» um, wird er Probleme mit der Kapitalisierung bekommen. Dieser Effekt ist jetzt bereits bei griechischen Staatsanleihen sichtbar geworden, für die deutlich höhere Zinsen berappt werden mussten als bei anderen EU-Ländern.
Ausstieg extrem teuer
Banken und Unternehmen stehen außerdem bei den Schulden vor einem Problem. Müssen nur Euro-Konten in «Freudo» getauscht werden? Was ist mit Dollar- und Pfund-Guthaben? Wie würde die Zentralbank verhindern, dass alle Welt nach dem Euro-Austritt sein Geld aus dem Land abzieht? Müsste der Staat seine Grenzen schließen, um den Kapital-Abfluss zu bremsen? Außerdem stünde der wirtschaftliche Neuling auf dem internationalen Parkett handelspolitisch isoliert dar. Mit der EU müssten zunächst neue Handelsverträge abgeschlossen werden.
Ein weiteres Problem des abfallenden Landes wäre sein Währungsverlust. Gegenüber dem Euro würde der «Freudo» nach konservativer UBS-Schätzung um 60 Prozent nachgeben. Die Exporte in den EU-Raum wären für den betreffenden Staat nun zwar günstiger, doch die EU würde einen Austritt aus dem exklusiven Kreis wohl kaum belohnen und ihren Wettbewerbsnachteil mit Zöllen auffangen, die dann ebenfalls bei 60 Prozent liegen dürften. Der Handel würde so um 50 Prozent einbrechen. 50 Prozent des im Land lagernden Vermögens würden der Studie zufolge abgezogen.
Nicht zuletzt muss mit zivilen Unruhen gerechnet werden, denn historisch gesehen endeten fast alle Währungsauflösungen in bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Die Kosten für einen Euro-Austritt sind auch ohne Unruhen schon enorm: Pro Staatseinwohner würden einmalig zwischen 9500 und 11 500 Euro fällig. Pro weiteres Jahr kämen Folgekosten von 3000 bis 4000 Euro pro Kopf hinzu. Die UBS betont, dass sie dabei konservativ geschätzt hat.
Szenario 2: Starker Staat sagt Tschüss
Sollte eine starke Wirtschaftsmacht wie Deutschland den Euro abstoßen und seine Mark wiedereinführen, hätte der nördliche Nachbar keine Schuldenprobleme, denn die Eurobeträge könnten mit einer starken Mark locker bedient werden. Private Firmen könnten jedoch wegen der Währungsunterschiede Bilanzprobleme bekommen und eine starke Mark, die gegenüber dem Euro 40 bis 50 Prozent zulegt, würde zu einem höheren Rekapitalisierungsbedarf des Bankensystems inklusive höherer Zinsen führen.
Export ade
Das größte Problem bekäme Deutschland jedoch beim Export. Mit der starken Währung, die Schweiz kennt das Problem, würde der Außenhandel stark ins Stocken geraten, weil seine Produkte zu teuer werden. Wie auch ein schwacher Staat hätte die Bundesrepublik aus der EU austreten müssen: Handelsverträge müssten mit den Europäern, die gewiss nicht begeistert von ihrem Ex-Mitglied wären, erst neu ausgearbeitet werden. Weil die Exportwirtschaft massiv einbrechen würde, würde der UBS-Studie zufolge auch der Gesamthandel um 20 Prozent sinken.
So würde ein Euro-Austritt auch einen starken Staat wie Deutschland teuer zu stehen kommen. 6000 bis 8000 Euro würden pro Deutschen einmalig anfallen, die Folgekosten würden 3500 bis 4500 Euro pro Nase und Jahr liegen. Die Kosten für soziale Unruhen, die durch den Zusammenbruch des Exportsektors entstehen könnten, sind dabei nicht einberechnet.
L'essentiel Online/Philipp Dahm