Anschlag in ManchesterWas sich aus dem IS-Bekenntnis lesen lässt
15 Stunden nach dem Anschlag von Manchester hat der «Islamische Staat» die Tat für sich reklamiert. Aus der Mitteilung lassen sich einige Besonderheiten lesen.

Screenshot des Bekennerschreibens zum Terror-Anschlag in Manchester.
ScreenshotDer IS reklamiert den Anschlag von Manchester für sich, etwa 15 Stunden nach der Attacke mit mindestens 22 Todesopfern und 59 Verletzten. Doch die späte und teils fehlerhafte Kommunikation der Extremisten wirft Fragen auf.
So schrieb der IS, einer seiner «Soldaten des Kalifats» habe den Angriff auf die Manchester Arena verübt. Von über 100 Toten und Verletzten des «schamlosen Konzerts» ist fälschlicherweise die Rede. Dem IS-Anhänger sei es gelungen, einen Sprengsatz «in die Mitte der versammelten Kreuzfahrer» zu platzieren.
Diese Mitteilung der Terrormiliz lief allerdings nicht wie üblich über den Kommunikationskanal Amaq, sondern über den Mitteilungsdienst Telegram. Analysten sehen in diesem Verbreitungsweg einen Hinweis darauf, dass der Anschlag in Manchester möglicherweise direkt von der IS-Führung in Syrien und im Irak koordiniert wurde. Dagegen spricht aber, dass im Nachrichtenbulletin, das die Terrorgruppe jeden Morgen herausgibt, von einer Attacke in Manchester keine Rede war.
«Amaq hat mal wieder versagt»
Später wurde die Meldung des für sich reklamierten Anschlags auch über den Amaq-Kommunikationskanal verbreitet. Darin hieß es, eine «Gruppe von Attentätern» habe die Attacke verübt. Dies wurde später korrigiert: Aus «einer Gruppe» wurde «ein Kämpfer». «Amaq hat mal wieder versagt», kommentierte IS-Kenner Charlie Winter vom renommierten «International Centre for the Study of Radicalisation and Political Violence» in London.
Entgegen den von der Polizei veröffentlichten Informationen deutete der IS an, dass es sich nicht um einen Selbstmordanschlag gehandelt habe. Er nannte den Attentäter, der laut Polizei in der Manchester Arena ums Leben gekommen war, auch nicht einen «Märtyrer». Jetzt gibt es Spekulationen, wonach das Attentat möglicherweise nicht ganz nach Plan des IS ablief und der Täter den Sprengsatz lediglich im Eingangsbereich der Manchester Arena hätte platzieren und sich dann aus dem Staub machen sollen.
«Wichtig, dass Leiche gefunden wurde»
In den einschlägigen, jihadistischen Foren zirkulierte zudem ein Video eines maskierten Mannes, der auf Englisch den Anschlag für sich reklamiert. Analysten aber zweifeln die Echtheit dieses Videos an, auch deswegen, weil im Hintergrund des Sprechers eine Flagge zu sehen ist, wie sie der IS kaum verwendet.
Die britische Presse schreibt zudem von Tweets, die vier Stunden vor dem Anschlag in der Manchester Arena von einem unverifizierten Account abgesetzt wurden: «Vergesst ihr unsere Drohung? Das ist der gerechte Terror», heißt es darin. Und: «Das ist erst der Anfang.» Die Polizei wollte keine Auskunft darüber geben, inwieweit sie diese «spekulativen Tweets» untersucht.
«Es ist wichtig, dass die Polizei die Leiche des mutmaßlichen Attentäters gefunden hat», sagt Shashank Joshi vom Royal United Services Institute in London. «Wenn sie ihn identifiziert haben, ist es möglich, sein Umfeld und seine Kontakte aufzuspüren.»
Die zentrale Frage, ob der Attentäter in ein Terrornetzwerk eingebunden war oder von sich aus als sogenannter «Lone Wolf» aktiv wurde, ist noch ungeklärt. Möglicherweise kann die Polizei bald eine Antwort darauf geben: Sie hat im Zusammenhang mit dem Anschlag einen 23-Jährigen festgenommen.
(L'essentiel)