«Sprechende» AffenWie ähnlich sind uns Affen wirklich?
Seit Jahrzehnten versuchen Wissenschaftler, Affen die menschliche Sprache beizubringen. Der Erfolg ist umstritten.

Als Koko im August 2014 von Robin Williams’ Tod erfuhr, wurde sie ruhig und nachdenklich. Später versank sie sogar in einer düsteren Stimmung, die auf tiefe Trauer hindeutete. 2001 hatte sie einen Nachmittag mit dem Schauspieler verbracht und betrachtete ihn seither als einen ihrer besten Freunde.
Das Besondere dabei: Koko ist nicht etwa ein Mensch, sondern ein weiblicher Gorilla. Neben dem Bonobo Kanzi ist sie der wohl berühmteste «sprechende» Affe. Die Psychologin Francine Patterson, die Koko seit über 40 Jahren betreut, behauptet, Koko beherrsche über 1000 Zeichen der Gebärdensprache ASL (American Sign Language) und verstehe ebenso viele englische Wörter. Doch stimmt das? Und sind Affen wirklich fähig, sich einen klaren Begriff vom Tod zu machen und eine so komplexe Emotion wie Trauer zu empfinden?
Menschlicher Einfluss
Was die zweite Frage anbelangt, bleibt die Psychologin Jane C. Hu skeptisch. Sie weist darauf hin, dass viele Tiere die Stimmungen ihrer menschlichen Bezugspersonen wahrnehmen und von ihnen beeinflusst werden. Kokos Trauer war also möglicherweise nicht mehr als eine Reaktion auf die Traurigkeit, die sie bei Patterson spürte.
Dürftige Sprechleistungen
Ähnlich umstritten sind die sprachlichen Fähigkeiten der Affen. Der Psycholinguist Steven Pinker glaubt nicht, dass jemals ein Affe ASL gelernt hat. Die äußerst komplexe Grammatik dieser Gebärdensprache scheint sie völlig zu überfordern. Die Schimpansin Viki reagierte zwar richtig auf stereotype Formeln wie «Kiss me» und «Bring me the dog», schaute aber hilflos drein, wenn man ihr einen neuen Befehl wie «Kiss the dog» gab.
Unter den Trainern der Schimpansin Washoe befand sich auch ein Gehörloser, der ASL beherrschte. Er blieb ebenfalls skeptisch: «Die hörenden Leute vermerkten jede Bewegung des Schimpansen als Gebärde. … Wenn der Schimpanse sich kratzte, vermerkten sie es als Gebärde für ‹kratzen›. … Wenn die Schimpansen etwas haben möchten, strecken sie die Arme aus. Manchmal sagten die Trainer dann: ‹Oh, Donnerwetter, schau dir das an! Das entspricht genau der ASL-Gebärde für geben!› Doch das war nicht der Fall.»
Fragwürdige Haltung
Patterson ist auch aus anderen Gründen in die Kritik geraten. Gemäß dem Primatologen Robert Sapolsky hat sie bis heute keine Daten veröffentlicht, die von anderen Wissenschaftlern überprüft werden könnten.
Weit schwerer wiegt jedoch die Tatsache, dass Koko und ihr Gefährte Ndume offenbar alles andere als artgerecht gehalten werden. Mehrere ehemalige Mitarbeiter von Pattersons Gorilla Foundation behaupten, Koko werde regelmäßig mit Fleisch und Schokolade gefüttert, obwohl sich wildlebende Gorillas von Blättern, Wurzeln und Insekten ernähren. Das habe dazu geführt, dass sie massiv übergewichtig und sehr träge sei. Noch schlimmer scheint es dem männlichen Gorilla Ndume zu ergehen: Er werde von Patterson kaum beachtet und habe nur selten Kontakt mit Koko, obwohl die beiden eigentlich zusammenleben und sich wenn möglich auch paaren sollten. Patterson bestreitet diese Vorwürfe natürlich.
Es spricht also vieles dafür, dass wir den Traum von der Kommunikation über Speziesgrenzen hinweg aufgeben sollten. Er scheint unerfüllbar zu sein. Sowieso ist es sehr fraglich, ob wir den Affen damit einen Gefallen tun.
(L'essentiel/Rolf Maag)